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Genius - Fim über Thomas Wolfe und seinen Lektor Maxwell Perkins

Inhalt: Ein exzentrischer Autor und sein down-to-earth Lektor

Wenn man wie ich keine Trailer anschaut oder Klappentexte liest, hat das den besonderen Reiz, dass ich keine Ahnung hatte, um welchen Autor es gehen würde.

 

New York, 1929. Zeit des Börsencrash.

Ein Mitarbeiter klascht dem Lektor Max Perkins einen suppentopfhohen Stapel Manuskriptseiten auf den Tisch. Dieser fragt: "Beidseitig bedruckt?"

"Kein Glück", antwortet der Mann.

Alle anderen namhaften Verlage der Stadt haben das Manuskript schon abgelehnt. Es geht um "Schau heimwärts, Engel" von Thomas Wolfe, das ursprünglich noch unter dem Titel "Oh verloren" lief.

 

Der Lektor beginnt zu lesen. Er liest wo er geht und steht.

 

Schließlich lädt er den Autor zu sich ein. Thomas Wolfe rechnet mit einer weiteren Absage. Er ist nur zu dem Treffen gekommen, weil er Max bewundert, schließlich hat er der schon Fitzgerald und Hemingway verlegt.

Zu seinem großen Erstaunen möchte dieser sein Werk verlegen.

Natürlich ist es zu dick, sie müssen 300 Seiten herauswerfen. Eine intensive und konfliktreiche Zusammenarbeit beginnt.

 

Krasser dann der zweite Roman, da hat der erste Entwurf nicht 1000 Seiten, nein, er hat 5000. Wolfe haut die Worte nur so raus, ungebremst. Nicht, dass die Passagen deswegen grundsätzlich schlecht sind, die Bücher sind dadurch im ersten Entwurf nur viel zu aufgebläht.

 

Immerhin zwei Jahre dauert das Kürzen des zweiten Romans - deutlich länger, als das Schreiben des ersten Entwurfs, offenbar konnte Wolfe mühelos täglich 5000 Worte (~15 Seiten) zu Papier bringen.

Reflektion: Die Gegensätzlichkeit ist reizvoll

Colin Firth spielt Max Perkins so zurückhaltend, dass man schon am leichten Zucken einer Augenbraue erraten muss, was gerade in ihm vorgeht. Er trägt nie dick auf, nicht einmal mitteldick, trotzdem wird oft klar, was er denkt und wie es ihm geht. Wäre ich nicht schon seit 1997 (Fever Pitch) ein Fan, ich wäre es jetzt.

 

Jude Law, im krassen Gegensatz dazu, könnte man schon Overacting unterstellen, wäre es nicht durchaus vorstellbar, dass Wolfe tatsächlich genauso exzentrisch und durchgeknallt gewesen ist.

 

Während des Films fragte ich mich oft: Nimmt Max eigentlich je seinen Hut ab? Zum Essen nähme man ihn doch ab, oder? Oder wenn man mit seiner Tochter auf dem Sofa liest?

Tatsächlich, erst in der Schlusszene, als er den letzten Brief von Wolfe an ihn gerichtet liest, nimmt er ihn endlich ab und mir wird klar: Tatsache: Er hat ihn vorher in allen Szenen getragen.

 

Nicole Kidman ist überzeugend wie eh und je in der Nebenrolle als Wolfes ältere Geliebte. Geradezu gruselig in einigen Szenen, in anderen wiederum kann ich mich gut mit ihr identifizieren. Ihr Freund hat zwei Jahre keinen Abend mit ihr verbracht? Na dann würde ich dem aber auch den Marsch blasen!

 

Dominic West als Hemingway habe ich sofort als ebenjenen identifiziert. Es wurde uns aber auch einfach gemacht, immerhin ist er in seiner ersten Szene umringt von Booten und einem riesigen Fisch.

 

Guy Pearce ist bemittleidenswert als Fitzgerald und dennoch in einer späteren Szene auch zu erstaunlicher Großzügigkeit bereit und alles andere als nachtragend.

 

Eigentlich ist Wolfe hier die unsympathischeste Person. Er denkt deutlich mehr an sich selber als an alle irgendjemanden sonst, benimmt sich ständig daneben und wird eher als treulose Seele dargestellt. War er vielleicht ja auch. Neugierig bin ich trotzdem. Ob sich die Bücher wohl lohnen?

 

Was ich mich aber auch frage: Gibt es eigentlich gute Schauspieler unter 40? Jude Law spielt mit damals 44 Jahren den zunächst 29jährigen Wolfe. Guy Pearce war fast 50, als er Fitzgerald darstellte. Ich will ja nicht pingelig sein, aber ist es so, dass man keine Wahl hat, weil nichts gutes mehr nachwächst? Geht es in Hollywood nur um Beziehungen und habe jüngere Schauspieler keine? Vorher waren für die Darstellung Wolfes Michael Fassbender (immerhin fünf Jahre jünger als Jude Law) und Sean Penn (räusper, zwölf Jahre älter) im Gespräch.

Fazit: Es nimmt mich nicht so ganz mit

Klar, der Film ist interessant, alleine schon historisch. Die Schauspieler machen alle ihren Job. Trotzdem, berührt bin ich nicht. Ich bin interessiert, aber nie traurig. Ich schaue zu, bin aber nicht dabei. Dafür hat dann doch irgendwie ein Quentchen gefehlt.

 

Trotzdem bin ich froh, den Film gesehen zu haben und schaue mal, ob ich auf den alten Mann und das Meer und den großen Gatsby noch was drauflege, von diesen drei dicken Fischen, die vor fast hundert Jahren so aktiv waren.

Trivia: 1929 hatte schon was

Mir würde es gut gefallen, wäre das Verhältnis zwischen Lektor und Autor heutzutage auch nur annähernd so innig und fruchtbar. Ich glaube, dass stellen die meisten von uns sich vor, wenn sie ihr Manuskript losschicken. Oder den Lektorenjob antreten.

 

Alleine schon der Gedanke, dass Scott Fitzgerald damals für eine Kurzgeschichte den heutigen Wert von 12.000 Dollar erhalten hat. Dann bräuchte man tatsächlich nur eine Kurzgeschichte pro Monat zu schreiben, mit der könnte man sich dann auch richtig Mühe geben und hätte ein super Leben. So lief es natürlich nicht für ihn, aber das hatte andere Gründe.

 

Es ist schon ein bisschen ein Klassentreffen, oder?

Laura Linney kennt Colin Firth aus "Tatsächlich Liebe" und Guy Pearce spielte bei "The King's Speech" seinen Bruder.

 

Von all diesen (zumindest zeitweise) erfolgreichen Schriftstellern ist rückblickend niemand wirklich beneidenswert. Wolfe starb mit nur 38 Jahren an Tuberkulose im Kopf (igitt, klingt fürchterlich), Fitzgerald wurde nur 44 Jahre alt, lediglich Hemingway ist fast 62 geworden. Auch nicht fürchterlich alt, doch immerhin im Film als kräftig, selbstbewusst und reisefreudig dargestellt. Keine Memme, wie Fitzgerald hier zeitweise porträtiert wird oder der ungezähmte, teils peinliche Exzentriker Wolfe.

Das ist jedenfalls die Interpretation dieses Films, etwas dran ist laut meinen Recherchen tatsächlich Was der Film nicht mehr beinhaltet (schließlich geht es um Wolfe), ist das ebenfalls Ende Hemingways, auch unschön mit Alkohol und Depressionen.

 

Deutscher Herausgeber von Wolfe war übrigens Ernst Rowohlt, den Wolfe bei einer seiner Europareisen auch persönlich traf.

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