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Identität 1142 - HG Sebastian Fitzek

Harte Fakten

Titel Identität 1142
Herausgeber Sebastian Fitzek
Autor*in verschiedene, siehe Text
Erscheinungsjahr 2020
Seitenzahl 287
Anzahl Geschichten 24

Inhalt

Fazit für Eilige

Von der Aktion haben die meisten von uns gehört, hier geht es zur Homepage. Aus circa 1200 Einsendungen würden zwölf Geschichten ausgewählt, die in dieser Anthologie veröffentlicht wurden, gemeinsam mit den Kurzgeschichten einiger namhafter deutschsprachiger Autor*innen. Ursprünglich wollte man nur sieben Stories auswählen, die Geschichten waren aber so gut, dass sie auf zwölf erhöht haben - plus eins: Andreas Gruber hat die Patenschaft für "Die Siegerin" übernommen und gemeinsam mit der Autorin noch etwas daran gearbeitet, um zu erreichen, dass auch diese Geschichte in die Anthologie mit aufgenommen wird.

 

Der Erlös geht an einen guten Zweck - auch die Star-Autor*innen verdienen nichts daran. Alles kommt dem strauchelnden Buchhandel zugute.

 

Die Geschichten sind alle im April während des Lockdown entstanden. Die Aufgabe war auch klar:

    Die Geschichte soll unter dem Thema „Identität“ stehen.
    Jemand findet ein fremdes Handy, auf dem er/sie Bilder von sich selbst entdeckt.
    Die Hauptfigur hat ein dunkles Geheimnis.
    Das Handlungsmotiv des Gegners ist Rache.
    Unter dem dunklen Geheimnis leidet der Gegner noch heute.

 

Ich hatte vorher schon ein paar der Stories auf der Homepage gelesen und hier und da ein wenig abgestimmt, zu dem Zeitpunkt stand aber bereits fest, wer veröffentlicht werden wird.

 

Insgesamt ist es eine sehr gute Anthologie und nahezu alle Geschichten sind spannend. Mal hier mal da kam es mir konstruiert vor, etwas unglaubwürdig - das wurde oft mit der Pointe erklärt, manchmal jedoch kam das Gefühl des Konstrukts auch erst mit der Pointe auf. Das mag daran liegen, dass die Aufgabe ja auch sehr spezifisch war. Hierfür muss man ja fast konstruieren. Insofern ist es umso bewundernswerter, dass viele der Autor*innen es geschafft haben, durch und durch glaubwürdige, spannende Plots und authentische, lebendige Figuren zu schaffen.

 

Hinten gibt es dann Autor*innen-Infos (wow, eine ist erst 2003 geboren!) und eine Auflistung aller, die überhaupt an der Aktion #WirschreibenzuHause teilgenommen haben. Ein paar davon kenne ich dann auch bzw. habe ihre Texte im Netz gelesen.  Auch dort ist das Niveau angenehm hoch.

 

Für die erste Rezension war ich zu langsam - viel zu langsam, es gibt schon vierzig alleine bei amazon!

 

Livia Fröhlich: Das Geschenk

Es ist ganz ok geschrieben, es gibt auch eine Pointe und es ist zwischendurch nicht uninteressant.

Interessanterweise war gerade diese Kurzgeschichte die Siegergeschichte und ist wohl daher ganz am Anfang platziert.

 

Ursula Poznanski: Durchleuchtet

Ja! Ich kannte bisher von dieser Autorin nur Erebos, das war ja auch ganz nett. Diese Kurzgeschichte hat mir deutlich besser gefallen. Ein Mann wacht in einem Krankenhauszimmer auf. Krankenhauszimmer? Irgendetwas stimmt nicht. Er kann nicht nach einer Schwester klingeln. Ihm wurde die Milz herausgenommen. Nach einem Unfall, der garantiert kein Kletterunfall war, wie er bei der Aufnahme behauptete.

Viel wird angedeutet, genügend wird enthüllt, sehr gekonnt. Genauso müssen Kurzgeschichten sein. Mit einer super Pointe, die ein wenig an die Saw-Filme erinnert.

Nach dem Auslesen kann ich getrost sagen: Für mich die Siegergeschichte!

 

Michael Thode: Du kennst den Ort

Auch wenn ein Detail nicht geklärt wird (ich frage mich dann immer, ob der Autor wenigstens selber die Antwort kennt), ist diese Geschichte sehr spannend und einige Details werden fachkundig gezeigt. Sehr gut gemacht. Ich habe quasi an den Seiten geklebt. 

Stichworte Unfall, Instagram, Querschnittslähmung

 

Vanessa Krypczyk: Thomas

Karin hat eine Vergangenheit. Ein Geheimnis. Eines, mit dem ich nicht rechne. Die unerwartete Wendung kommt allerdings recht früh in der Geschichte, danach nimmt die Spannung etwas ab. 

Kurz vor dem Showdown erahne ich die Pointe - die ist super!

 

Romy Hausmann: Julischnee

Wenn ich sage, dass mich das an den Film Identität erinnert, spoilere ich. Sorry dafür.

Der Anfang ist echt genial:

"Hochsommer, eine Million Grad. Das Apshaltflirren macht meine Augen verrückt, die Autobahn schießt Verkehrsschilder gegen die Frontscheibe."

Da kann jemand verdammt gut schreiben. Darauf lasse ich mich gern ein.

Ich erahne die Pointe ganz kurz vor der Enthüllung, am perfekten Zeitpunkt sozusagen. Gut umgesetzt, solide Kurzgeschichte.

 

Kathy Tailor: Monster

Die Story ist ungünstig platziert. Direkt nach Julischnee war ich natürlich auf der Hut und habe sehr schnell geahnt, wie alles zusammenhängt. Wäre die Story anders platziert gewesen, es wäre für mich überraschender gewesen.

Aber auch so schafft es die Autorin noch, mich am Ende noch einmal zu verdutzen.

Thema Rache sehr gut und originell umgesetzt.

 

Andreas Gruber: Christina muss sterben

Lebendiger Einstieg. Ein Mann, Mielke, spricht auf eine Frau ein, im Frühstücksraum eines Restaurants. Tolle Szene, super Auflösung - es ist alles ganz anders.

Am Ende hat die Story noch zwei weitere Pointen parat. Also, wie man das innerhalb weniger Wochen so ausdenken und gekonnt aufschreiben kann - man merkt den Profi.

 

Saskia Hehl: Aufgelöst

Fühlt sich fast so an wie Soldaten im Krieg. Geht aber wohl nur um Polizeieinsätze. Ich konnte dem nicht so ganz folgen, war nicht mein Stil.

 

Charlotte Link: Der Plan

Ja, das ist nach meiner Nase. Ein Mann, Ben, der sein Handy bei der Ankunft beim Ferienhaus in Frankreich nicht finden kann. Er und seine Frau rufen es an: Es hat jemand gefunden. Auf dem letzten Rastplatz. Ben fährt sofort los, um den Finder zu treffen.

Und kehrt nicht zurück.

Die erste Plotwendung ist fast unerwartet, ich ahne schon bald eine Pointe, die aber nicht hundertprozentig so eintrifft, wie ich sie vermutete, sondern sogar besser. Ja, das war herrlich, hat Spaß gemacht.

 

Julian Gabriel Schneider: Berufsblind

Ein Privatdetektiv, verheiratet, ein Kind. Eine Taxifahrt nach Hause. Die Stelle, in der er feststellt, dass er zusätzlich zu seinem eigenen Handy ein weiteres, fremdes bei sich trägt, ist sehr spannend gemacht. Danach fällt es leider etwas ab.

Sehr gut gemacht finde ich hier, dass es ein klares Thema gibt, also sogar eine klare Prämisse. Die Story ist nicht nur in sich abgeschlossen, bietet einige erwartbare und noch mehr unerwartete Wendungen und sehr plastische Szenen und Charaktere, sie hat sogar eine Botschaft (wenn man das so nennen will). Hat mir sehr gut gefallen!

 

Mordechai Simons: Geburtstag in der Hölle

Nun ja. Ich habe kürzlich erst in einer Kurzgeschichte in der Anthologie der Textgemeinschaft Cockpit-Gespräche eine alternative Interpretation des Flugzeugabsturzes in den Alpen gelesen - das hier ist zwar ein anderer, imaginärer Absturz, erinnert aber doch sehr an diesen realen Fall. Daher bin ich etwas vorbelastet. Ich bin unsicher, wie realistisch diese Interpreation ist und fast versucht, selber zu recherchieren. Insgesamt ist es spannend gemacht und am Ende gibt es ein paar richtig gute, kritische Momente. Allerdings habe ich die meisten Plotwendungen schon erahnt, weit bevor sie passierten.

 

Frank Schätzing: Der Witz und der Tod

Fällt vom Stil her total aus dem Rahmen, hat mir supergut gefallen. Erinnert mich (und vermutlich auch andere) an den tödlichen Witz von Monty Python und geht noch darüber hinaus bzw. ist bei aller Ähnlichkeit eigentlich ganz anders. Sehr schön rund.

 

Pia Schmidt: Ich bin Rotkäppchen

Was mir erst wie ein ziemliches Durcheinander vorkam, hat dann doch eine erstaunlich klare Auflösung. Zum ersten Mal bin ich ganz froh darüber, die Lösung eines Rätsels wirklich gut vorgekaut vorgesetzt zu bekommen, eben weil ich so lange anfangs verwirrt war.

 

Daniel Holbe: "Wer bin ich?"

Sehr aktuell, spielt zu Corona-Zeiten. Hier war ich allerdings bis zum Schluss verwirrt. Wenn ich behaupte, dass es mehr als einen Ich-Erzähler gibt, habe ich mich hoffentlich nicht geirrt. Diese Story nimmt die Aluhutträger*innen ganz schön auf's Korn, ist aber für mich ganz schon verworren. Das mit dem Mundschutz anbieten beim Sex war witzig.

 

Annika Bühnemann: Ach wie gut, dass niemand weiß ...

Ich möchte schreien: Lass dein Baby nicht vor der Haustür im Kinderwagen schlafen, ohne dass du daneben stehst, deine Story steht in einer Anthologie voller Krimis und Thriller!

Nun ja, es passiert das Unvermeidliche... hat mir ganz gut gefallen, die Geschichte und es ist bis zum Ende spannend.

 

Michael Tsokos mit Wolf-Ulrich Schüler: Spuren der Gewalt

So spannend und komplett überzeugend geschrieben - Protagonist Herzfeld ist sowohl als Mediziner als auch als Vater schön authentisch - und dann ist der Schluss so unbefriedigend. Habe ich etwas verpasst? Irgendwie gab es für mich kein richtiges Ende, ich fühle mich nun, als würde ich in der Luft hängen.

 

Melanie Bottke: Das Blind Date

Hier kann selbst ich über nichts mehr meckern. Das bleibt im Gedächtnis. Sehr authentische Figuren, eine solide, glaubhafte Auflösung, viel Spannung, alles nachvollziehbar, gut geschrieben, extrem gute Pointe, rund bis zum letzten Wort. Eine Kurzgeschichte, die ihresgleichen sucht. 

 

Robert Hönatsch: Entlang der goldenen Ähren

Hey, das spielt ja in Kiel! Kiel wird nicht genannt, aber als Ortsansässige erkenne ich schon den Exerzierplatz wieder, dachte noch: Na gut, den wird es woanders vielleicht auch geben. Aber Mettenhof, Strande, Levensauer Hochbrücke, da kann kein Zweifel mehr bestehen. 

Diese Geschichte ist sehr spannend gemacht, so spannend, dass ich die Auflösung fast ein wenig dünn finde. Vermutlich waren meine Erwartungen einfach echt hoch geschraubt worden.

 

Vincent Kliesch: Pauls Begleiter

Sowohl die Ausgangssituation als auch Protagonist/Antagonist, Plot, Auflösung, Pointe - alles perfekt! Die Idee ist einfach gut. Paul hat mehrere Persönlichkeiten, sogar richtig viele. Die können seinen Körper übernehmen und dann Dinge machen, die er sich nie trauen würde. Doch die "böse Helga" will seinen Psychologen umbringen, weil sie befürchtet, jener würde die anderen Persönlichkeiten beseitigen wollen. Die "böse Helga" ist neu. Mehr möchte ich nicht verraten, aber diese Story ist sehr lesenswert!

 

Anne Schmitz: Frei Tod

Nicht ganz so fluffig gestaltet sich der Plot dieser Story. Ja, sie ist spannend, aber sie kam mir auch etwas konstruiert vor.  Jedenfalls ist sie gut geschrieben und gut zu lesen, trotz meiner Kritik am Plot und an der Auflösung. Bei amazon haben einige Rezensent*innen diese Geschichte als Favorit angegeben.

 

Wuld Dorn: Alice vor dem Spiegel

Ich bleibe zurück mit dem sicheren Gefühl, noch etwas verpasst zu haben. Aber das macht nichts. Die Story ist extrem gut, einfallsreich, intelligent und ich werde sie erneut lesen, weil ich vermute, dass ich kurz vor dem Schluss noch etwas Gutes entdecken werde, das ich beim ersten Lesen nicht bemerkt habe.

 

Gabriele Störzinger: Siegerin

Das ist ja jene Story, die nicht in die Anthologie gekommen wäre, wenn Andreas Gruber nicht die Patenschaft hierfür übernommen hätte und noch mit der Autorin daran gearbeitet hätte. Alleine das ist ja schon spannend! Da frage ich mich, was genau die beiden noch verändert und bearbeitet haben. Als jemand, die ihre Kurzgeschichten wirklich gründlich bearbeitet und meistens auch bearbeiten muss, fände ich das sehr interessant.

Die Prota hat das Haus von ihrer Oma geerbt und arbeitet als Auftragskillerin. Das klingt zwar weit hergeholt, wird aber sehr glaubwürdig beschrieben. Ein wenig frage ich mich aber, ob alte Telefone mit Wählscheibe noch funktionieren und ob es tatsächlich so schwierig ist, herauszufinden, welche Telefonnummer zu so einem Gerät gehört - da würde doch ein Vertrag dahinterstecken und spätestens die Telekom (o. ä.) würde es doch wissen, richtig?

Ich ahne die Auflösung vielleicht ein paar Minuten zu früh - aber immerhin erklärt diese alles, was einem vorher noch spanisch vorgekommen sein mag.

 

Sebastian Fitzek: Niemand

Es ist nicht alles, wie es scheint. Doppelt nicht. Routiniert geschrieben, etwas zu kurz, um mir die Figuren wirklich nahe zu bringen. Tragisch, auf seine Art. Die Auflösung ist gut gemacht.

 

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