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Die Liebe in den Zeiten der Corona - von Julia Winter

Inhalt: Corona als Handicap für eine neue Liebe

Lara lebt alleine, macht Home Office, geht ab und zu mit Hund Benni vor die Tür. Sie schläft bis 11 Uhr, läuft den ganzen Tag in ihrer Jogginghose herum, bestellt sich häufig mal Pizza und nur selten steckt mal ihre Mutter den Kopf durchs Fenster ihrer Erdgeschosswohnung.

 

Exfreund Paul ist schon vor Monaten ausgezogen, sie telefoniert jeden Tag mit dem Freund ihrer besten Freundin Corinna, die mit Corona im Krankenhaus liegt, seit drei Wochen schon.

 

Allmählich gleitet sie in eine leichte Depression ab, da entschließt sie sich, die Jogginghose dafür zu verwenden wofür sie ursprünglich gedacht war und geht joggen im Treptower Park.

 

Dort begegnet ihr Luis.

Reflektion

Zunächst einmal finde ich das Format gut. 47 Seiten kann ich an einem Abend und einem Morgen durchlesen, selbst mit quakigem Baby am Bein.

 

Die Ich-Erzählerin ist authentisch, an einigen Stellen erkenne ich dann entweder mich selber oder gute Freunde wieder und muss grinsen. Ja, solche Frauenmomente sind mir nicht unbekannt. Oder Müttermomente. Oder Frau-Trifft-Schönen-Mann-Momente.

 

Beim Joggen hätte ich ihr am liebsten Tipps zugerufen. Immerhin hat sie es beim zweiten Versuch auch deutlich besser hinbekommen, auch ohne meine Tipps.

 

Beim Darstellen der Depressionsgefahr wäre mir ein wenig mehr show und weniger tell lieber gewesen. Zumal das show durchaus vorhanden ist: Die Art sich zu kleiden, die fehlende Struktur, das Weinen am Abend - das hätte eigentlich auch schon gereicht, dass wir Leser*innen merken: Oje, da muss aber bald mal etwas passieren, sonst geht das hier nicht gut.

 

Die wenigen Nebenfiguren, die teilweise nur in einer Szene oder einem Telefonat auftauchen, gewinnen schnell Kontur, weil es der Autorin gelingt, mit nur wenigen Details Leben in die Leute zu bringen und nicht zu viel beschreibt. Von Luis' Äußeren erfahren wir ein wenig mehr, wohl auch, weil die Ich-Erzählerin da viele Dinge bemerkenswert findet.

 

Einzig der Hund hätte für mich ein bisschen mehr Charakter haben können.

 

Sich frisch kennenzulernen in den Zeiten der Corona hat den Nachteil, dass man sich nur von weitem beschnuppern kann. Zumal Luis gute Gründe hat, das Abstandsgebot sehr ernst zu nehmen.

 

Ich bin außerdem beeindruckt, wie schnell sie das hingekriegt hat. Sie kann ja schwerlich vor Mitte März damit begonnen haben und am 31. Mai war die Story schon veröffentlicht.

 

Es kostet nur 2,99 € und nach zwei Seiten Leseprobe wusste ich schon, ja, das kann ich sehr gut durchlesen, das macht mir Spaß.

 

Die Geschichte ist sehr szenisch geschrieben. Wer sich gern einen Eindruck vom Stil machen möchte, hier eine meiner Lieblingsstellen:

 

Das letzte Mal, als ich joggen gegangen bin, war ich sechzehn. Ich war total in David Rieman aus der Oberstufe verknallt und dachte, mit fünf Kilo weniger könnte ich ihn bestimmt dazu kriegen, sich für mich zu interessieren. Also lief ich jeden Nachmittag nach der Schule ein paar Runden auf der Aschebahn und aß nur noch Gurken und Karotten. [...]

Aber ich war ja gar nicht dick. Ich hatte schon immer Normalgewicht. Ich war bloß sechzehn, und mit sechzehn hält sich jedes Mädchen für übergewichtig. Aus David Riemann und mir ist nie etwas geworden, aber das hätte sich mit fünf Kilo Gewicht weniger auch nicht geändert, denn David stand eher auf Menschen namens Lars als Lara. Aus dem Joggen und mir ist seitdem auch nie wieder etwas geworden, und seit heute weiß ich auch wieder, wieso nicht.

Es geht schon damit los, dass ich nicht weiß, wie ich anfangen soll. Laufe ich schon im Hausflur los? Oder direkt vor dem Haus? Oder soll ich sicherheitshalber doch lieber erst um die Ecke gehen, damit mich keiner meiner Nachbarn sieht?

 

So etwas finde ich einfach witzig und echt, da habe ich Spaß.

 

Es gelingt sogar, in dieser recht kurzen Geschichte diesen Moment zu haben, in dem wirklich alles schiefgeht und die Protagonistin in größtmöglichen Schwierigkeiten ist. Da muss sich Lara dann wieder herauskämpfen und das macht sie meiner Meinung nach ganz geschickt.

Trivia

Die Julia Winter mit den Kochbüchern ist übrigens nicht diese Julia Winter, das ist nur eine zufällige Namensgleichheit.

 

Die echte Julia ist längst in einer anderen Lebensphase angekommen als Lara und lebt mit Mann und Kindern in Berlin. Mit Home Office kennt sie sich also aus, einsam dürfte sie in den Corona-Wochen nicht gewesen sein. Wie sie es neben dem Workload und der geschlossenen Kita noch geschafft hat, diese Story veröffentlichungsreif zu machen kann ich mir nicht erklären.

 

Ein bisschen Stalken bei Twitter zeigt außerdem, dass sie gerade an einem längeren Liebesroman arbeitet, der "im achten Himmel" heißt. Offenbar hat sie diese kleine Liebesgeschichte aus aktuellem Anlass dazwischengeschoben. Gut so.

 

Der Titel ist sicherlich inspiriert von "Liebe in den Zeiten der Cholera". Der Titel "Die Liebe in den Zeiten der Corona" ist zurzeit auch sehr naheliegend. Nun, wenn man die Erste damit ist, und so schnell wie Julia, dann klappt das sehr gut. Ich jedenfalls hatte mir die Leseprobe einzig aufgrund des Titels heruntergeladen. Gefunden hatte ich es beim Suchen nach Autor*innen auf Twitter.

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