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Der Tag der Lerche (Inspector Carmichael 2) von Jo Walton

Inhalt

Die Handlung setzt ungefähr zwei Wochen nach dem Abschluss von Teil 1 ein. Carmichael hat sich noch nicht von dem Schock am Ende des ersten Teils erholt und schmiedet mit seinem Partner Jack zaghafte Pläne, die UK bald zu verlassen. 

 

Doch zunächst müssen er und sein Partner Roystok noch einen Fall lösen:  Eine Schauspielerin und ein noch unbekannter Mann wurden im Haus der Schauspielerin von einer Bombe in die Luft gejagt. Ein Anschlag? Ein Unfall?

 

Ich als Leserin löse den Fall hier wesentlich früher als Carmichael. Mir steht nämlich wieder eine zweite Perspektive zur Verfügung. Die Ich-Erzählerin, Viola Lark, eine Schauspielerin, erfährt recht bald, was den beiden zugestoßen ist und warum. Ein sehr spannender Plot entwickelt sich: Der Premierminister der UK und Hitler sollen während der Theaterpremiere mittels einer Bombe getötet werden. 

 

Viola Lark (geborene Larkin) nimmt mich noch schneller mit als die weibliche Ich-Erzählerin in Teil 1. Viola liegt mir mehr. Sie ist älter, selbstständiger (unverheiratete Schauspielerin, die für sich selber sorgt) und sie hat mit ihrer adligen Familie zumindest teilweise bereits gebrochen. Ihre zahlreichen Schwestern haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Eine davon hat Heinrich Himmler geheiratet und eine ist Kommunistin und plant einen Anschlag auf Hitler. Letztere nimmt nun Kontakt zu ihr auf und bittet sie um Mithilfe.

 

Während Viola immer tiefer in die Attentatspläne verwickelt wird, müssen Carmichael und Royston den Fall lösen. Der Roman ist bis zum Ende spannend. Das Ende ist absolut überzeugend. 

 

Der Roman ist leichtfüßig, unterhaltsam und sehr kurzweilig geschrieben. Die dreihundert Seiten lassen sich rasch lesen, aber dennoch ist die Sprache nicht langweilig. Einige Metaphern sind sehr amüsant. Beispiel:

 

".. für mich sah er aus wie ein Spaniel, der dringend eine Wurmkur nötig hätte"

  

Manchmal werden Dinge durch Details gut gezeigt, diese Textstelle sagt zum Beispiel einiges über die Beziehung zwischen Carmichael und seinem Partner Jack aus. Sie streiten sich hier darüber, dass sie ihre Homosexualität geheim halten müssen und nicht ausgehen können wie andere Paare.

 

"Dieser Wortwechsel war ebenfalls nicht neu. Carmichael kannte seinen Text ebenso auswendig wie den von Jack."

 

Carmichael ist nicht nur als Schwuler Restriktionen unterlegen, sondern auch einfach als Mann. Diese Textstelle zeigt, dass er es sich in seiner Position einfach nicht erlauben kann, seine Trauer auszuleben:

 

"... am liebsten wäre er in diesem Augenblick ein Franzose, eine Frau oder sogar ein Hund gewesen, denn dann hätte er seiner Trauer wenigstens Ausdruck verleihen können."

 

Manchmal werden sogar Nebenfiguren, die nur im Off auftauchen, durch ein griffiges Detail so gut beschrieben, dass es eine wahre Freude ist. Hier der Vater der Ich-Erzählerin Viola, der in seinen Exemplaren Fehler korrigierte:

 

"Aber er schrieb keine Leserbriefe, um jemanden auf Fehler hinzuweisen, wie Tess vorgeschlagen hatte, er fand es vollkommen ausreichend, auch den hanebüchensten Stuss nur in seinem Exemplar per Hand zu korrigieren."

 

Witzig ist auch der Running Gag zwischen Carmichael und Royston, die sich schon im ersten Teil stets aufgezogen haben, wenn einer von ihnen einer Ahnung nachgehen möchte. Es ist immer schön, wenn man die Figuren etwas länger als nur einen Roman lang begleiten darf.

 

Wenn es nicht zu viel gespoilert ist - in zwei Szenen kommt Hitler in Persona vor. Das ist gewagt und sehr spannend. Ich habe regelrecht an den Buchseiten geklebt.

 

Es ist nicht ganz einfach, die Prämisse herauszumeißeln. Das Thema ist für mich ganz klar: Die beiden Protagonist:innen, Carmichael und Viola, wollen beide etwas gegen die fortschreitend faschistischen Verhältnisse in den UK machen. Beide wählen unterschiedliche Wege und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Vielleicht könnte man als Prämisse wählen: "Nimm die ungerechte Welt nicht einfach hin, tu was in deiner Macht steht. Aber überlege dir gut, welchen Weg zu gehst."

 

Am Ende des Romans ist es mir als Leserin keineswegs klar, welchen Weg ich gehen würde. 

 

Teil 1 haben wir uns nun übrigens für die vierte Folge unseres Podcasts vorgenommen.

Diversität

Carmichael (und auch der Premierminister) sind schwul. Es kommen natürlich wieder einige Juden vor, auch ein direkter Kollege von Carmichael ist jüdisch. Die Unterdrückung gewisser Personengruppen ist absolut Thema. Auch das Einsperren in Lager von Kommunisten und Schwarzen Menschen auf dem Kontinent wird kurz thematisiert. 

 

Plus, auch interessant, vor allem 1949: Carmichaels enger Polizeikollege Royston ist alleinerziehender Vater einer Tochter.

Harte Fakten

Titel Der Tag der Lerche (Inspector Carmichael 2) 
geschrieben von Jo Walton 
Verlag Golkonda 
übersetzt von Nora Lachmann 
Erscheinungsjahr 2018 
Seitenzahl 300 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1437311316616695809 

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