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Die Saat von Guillermo del Toro und Chuck Hogan

Inhalt

New York, JFK. Ein Flugzeug landet. Kaum ist es sicher auf der Rollbahn, gehen alle Lichter aus. Niemand antwortet auf Funkanfragen. Ist der Strom ausgefallen? Dann dürfte es darin allmählich recht da drin heiß sein und außerdem recht sauerstoffarm. Die Leute da drin verhalten sich ruhig. Niemand hat bisher sein Handy benutzt. Alle Blenden sind unten. Man kann nicht hineinschauen Was ist da los?

Eine sehr spannende Appetizer-Szene, die mich überzeugt hätte, das Buch zu kaufen, wäre es eine Leseprobe gewesen.

 

Genauso spannend geht es auch weiter. Bei der Gelegenheit muss ich mal loswerden, wie sehr ich es schätze, wenn Autor:innen sich auskennen und recherchiert haben. Bei den Vorgängen auf einem Flughafen war ich schon schwer beeindruckt und in den Folgekapiteln von den beeindruckenden Details zur menschlichen Anatomie erst recht. Dazu ist es den Autoren gelungen, die Atmosphäre bei einer Autopsie von Leichen sowohl respektvoll, als auch faszinierend und gleichzeitig doch recht ekelhaft zu schildern. Gerade bei phantastischen Themen wie Vampirismus finde ich es extrem spannend, wie die phantastischen Details glaubhaft in die uns bekannte Wirklichkeit eingeflochten werden. Beeindruckend.

 

Außerdem sind hier echte Menschen am Werk. Gerade Ephraim "Eph", der sich mitten im Sorgerechtsstreit für seinen Sohn Zack befindet, ist sehr gut gelungen. Aber auch Nebenfiguren wie eine Ehefrau und Mutter mit wirklich schlimmen Zwangsneurosen sind beeindruckend. Hier sind Profis am Werk.

 

Auch beim Weiterhören bin ich glücklich: unterhalten und leicht angegruselt. Kein Infodump. Alles ist szenisch (zumindest in Teil 1). Genug vom Innenleben der Figuren. Perfekt!

 

Nach etwa der Hälfte gerät der Roman kurz in Gefahr, zu viele Szenen dieser Art zu haben:

Mensch trifft Vampir und es kommt zum Kampf und zur Infektion des Menschen.

 

Selbstverständlich werden solche Szenen benötigt, um das Fortschreiten der Seuche klar zu machen, doch finde ich, dass dies nicht auf dem Niveau geschieht, wie es beispielsweise Stephen King bei "The Stand" gelungen ist. Das mag daran liegen, dass King in der Lage dazu ist, Figuren sehr schnell plastisch zu machen und bei "Die Saat" bei Nebenfiguren (manchmal) darauf verzichtet wurde oder dies in der Eile nicht gelungen ist, so dass sich eine Szene wie "Zufälliger Passant, der mir total egal ist, trifft auf Vampir und wird infiziert" liest, was natürlich keine Spannung aufkommen lässt. An der Stelle räume ich ein, dass diese Szenen aber sonst gut geschrieben und ausreichend ekelhaft sind. 

 

Allerdings bietet dieser Roman auch eine der absolut spannendsten Szenen, die ich in den letzten Jahrzehnten gelesen habe: Eine Figur namens Roger kehrt von einer Dienstreise nach Hause zurück. Er sitzt in einem Taxi, der Taxifahrer spricht nicht besonders gut Englisch und merkt offenbar nicht, dass etwas in New York los ist, das ungewöhnlich ist. Roger merkt es aber und vertraut auf seine Intuition. Er bittet den Fahrer, vor seinem Haus zu warten und prüft recht vorsichtig, was da drin los ist. Im Haus stößt er statt auf seine Familie auf lauter verdächtige Spuren: Blutreste. Erbrochenes in der Toilette. Roger benimmt sich ganz und gar nicht so, wie viele Figuren in Horror-Romanen, die immer auf den Dachboden fliehen oder nichtsahnend ins Verderben rennen, sondern angenehm umsichtig. Letztendlich spürt er auch, dass der Ort unsicher ist und kehrt zum Taxi zurück. Mittlerweile sind aber die Vampire aus der Nachbarschaft hinter ihm her. Er steigt ins Taxi und ruft dem Fahrer zu, er solle losfahren. Der Fahrer ist nun leider aber bei weitem nicht so umsichtig wie Roger und besteht zunächst auf Bezahlung. Die darauffolgenden Seiten sind Suspense-mäßig allererste Liga. Ich habe geradezu am Kopfhörer geklebt. Das ist ab sofort mein Ziel, wenn ich selber spannende Szenen schreiben möchte - ob ich das jemals erreichen werde, ist natürlich eine ganz andere Frage.  

 

Meinem persönlichen Geschmack nach bleibt Nora etwas blass, im Vergleich zu den männlichen Figuren oder auch Ephs getrennt lebender Frau Kelly. 

 

Gegen Ende hin gibt es eine weitere, sehr überraschende (für die betreffende Figur und für mich) Szene, die verspricht, dass Teil 2 und 3 noch mit interessanten Aspekten aufwarten werden. Ob diese Erwartungen wohl erfüllt werden? Der Epilog verspricht ebenfalls noch einiges an interessanter Handlung in den Folgebänden. 

 

Am Ende habe ich das Gefühl, dass zwei Nebenfiguren im Status "Verbleib unklar" gefangen sind. Da es sich um eine Trilogie handelt, kann ich hoffen, dass sich das noch auflösen wird. )Edit: Zumindest eine der Figuren kommt auch recht bald in Teil 2 vor, was mich sehr freut. Was die andere Figur betrifft, hoffe ich, dass noch aufgelöst wird, was aus ihr geworden ist.)

 

So endet es zwar glücklicherweise nicht in einem Cliffhänger, es gibt aber ausreichend lose Enden und Anreiz zum Weiterlesen bzw. Hören. Der Roman war so gut, dass ich mir trotz mächtig hohem SuB sofort den zweiten Teil besorgt habe.

 

Vampir-Mythologie

Knoblauch und Silber sind hilfreich, Kruzifixe nützen nichts. Sonnenlicht ist nicht so gesund. Leider schlafen aber diese Vampire tagsüber nicht, sondern verstecken sich lediglich in der Dunkelheit. Sie können zwar nicht fliegen, sind aber stark und flink und statt der Eckzähne haben sie eine zungenähnliche Waffe, die leider eine große Reichweite hat. Sexy sind sie keineswegs und auch nicht sonderlich intelligent, aber immer hungrig. Sie glitzern nicht und sind keineswegs attraktiv. Fließende Gewässer können sie ohne Hilfe nicht überqueren, was den Standort New York zunächst einigermaßen handhabbar macht. 

Gegen Ende des Romans und dann in Teil 2 erhalten die Vampire noch mehr Tiefe und werden spannender. Die meisten Szenen in Teil 1 zeigen eher frische Vampire, die lediglich Interesse daran haben, Menschen (oder Tiere) auszusaugen und noch nicht wirklich Intelligenz zeigen. Quasi Zombie-Vampire.

 

Sprecher David Nathan

Der Sprecher der King-Romane macht das natürlich schon mal sowieso alles eine Spur unheimlicher. Ich mag seine Stimme sehr. Als würde Batman einem vorlesen.  

Diversität

Ich kann nicht beschwören, dass ich stets den kulturellen Hintergrund oder die Hautfarbe aller Charaktere mitbekommen habe. Da es in New York spielt, könnte es doch recht vielseitig sein.

Die Figur des Gus ist Latino.  

 

Professor Abraham Setrakian ist Jude und in Rückblicken wird von Erlebnisse im Lager in Deutschland 1943 erzählt. 

Harte Fakten

Titel Die saat 
geschrieben von Guillermo del Toro und Chuck Hogan 
übersetzt von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt 
Erscheinungsjahr 2009 
Seitenzahl 529 
Länge Hörbuch 15 Std. 13 
eingesprochen von David Nathan 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1414123196597538816 

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