Inhalt
Ender's Game von Orson Scott Card habe ich abgebrochen - aber sein Geschmack in Kurzgeschichten gefällt mir. Diese Sammlung bietet eine hervorragende Chance für mich, ein paar neue Autor:innen kennenzulernen. Und ihre Romane und Erzählungen auf meiner Merkliste dick anzustreichen - oder auch nach hinten zu stellen, weil ich nicht mal ihre Kurzgeschichten durchgehalten habe.
Der Inhalt ist unterteilt in "The Golden Age", "The New Wave" und "The Media Generation".
Es enthält folgende Kurzgeschichten:
(Aus der Golden Age:)
Poul Anderson: Call me Joe
Robert A. Heinlein: All you Zombies
Lloyd Biggle Jr. Tunesmith
Theodore Sturgeon: A Soucer of Loneliness
Isaac Asimov: Robot Dreams
Edmond Hamilton: Devolution
Arthur C. Clarke: The Nine Billion Names of Good
James Blish: A Work of Art
Ray Bradbury: Dark They Were, and Golden-Eyed
(New Wave:)
Harlan Ellison: "Repent Harlequin!" Said the Ticktockman
R. A. Lafferty: Eurema's Dream
Robert Silverberg: Passengers
Frederik Pohl: The Tunnel under the World
Brian W. Aldiss: Who can replace a Man?
Ursula K. Le Guin: The Ones who walk away from Omelas
Larry Niven: Inconstant Moon
(The Media Generation:)
George R. R. Martin: Sandkings
Harry Turtledove: The road not taken
William Gibson and Michael Swanwick: Dogfight
Karen Joy Fowler: Face Value
C. J. Cherryh: Pots
John Crowley: Snow
James Patrick Kelly: Rat
Terry Bisson: Bears Discover Fire
John Kells: A clean escape
Lisa Goldstein: Tourists
Georg Alex Effinger: One
Einige Geschichten kann ich bereits, wie Sandkönige von George R. R. Martin oder die Robotergeschichte von Asimov. All you Zombies von Heinlein hatte ich kürzlich bereits als Stand-Alone gelesen und Clarkes "The Nine Billion Names of God" ist Teil der Science Fiction Hall of Fame, das ich kürzlich gelesen habe. Harlan Ellisons Geschichte ist Teil des "Big Book of Science Fiction" herausgegeben von Jeff VanderMeer, in dem ich immer mal wieder lese (es hat 1218 Seiten und ich weiß noch nicht, wie viele Stories), da hatte ich diese Kurzgeschichte bereits gelesen.
Doch ich habe einige neue Perlen entdeckt, die ich gern nennen möchte:
Eigentlich bin ich kein Fan von Ray Bradbury, die Geschichte Dark They Were, and Golden-Eyed aus den Mars-Chroniken hat mir aber sehr gut gefallen, sehr witzig, schön geschrieben, tolle Pointe.
Silverbergs Passengers beinhaltet eine wirklich beeindruckende Idee. Seit drei Jahren werden Menschen immer mal wieder "geritten" (a la "Was hat dich denn geritten?), jemand, ein "Passenger" ergreift Besitz von dem Körper, oft für einige Tage und tobt sich dann darin aus. Derjenige, der geritten wurde, muss dann ggf. den Kater am nächsten Tag aushalten. Ganz zu Ende gedacht war die Geschichte nicht, wie verhindert man zum Beispiel Schwangerschaften? Stirbt auch mal jemand, während er/sie geritten wird? Wie löst man das juristisch, wenn Straftaten begangen werden? Kann man auch so tun, als würde man geritten und sich dann selber austoben - wer soll das denn prüfen?
Der Protagonist in Silverbergs Geschichte erwacht nach einem dreitätigen Blackout, währenddessen er geritten wurde und auch eine Frau bei sich hat. Wundersamerweise erinnert er sich an die Frau und trifft sie wieder - und möchte mit ihr anbändeln.
Die Pointe hat damals vermutlich besser gezündet als heute, ansonsten ist die Geschichte aber hochinteressant und sehr schön geschrieben, von Silverberg kann ich definitiv alles auf der Merkliste dick anstreichen.
Frederik Pohl: The Tunnel under the World erinnert zunächst an "Und täglich grüßt das Murmeltier". Es ist immer der 15. Juli. Ich als Leserin merke das, bevor der Protagonist das merkt. Und ständig diese Werbung überall. Jeden Tag andere. Ein Kollege, der sonst zuverlässig ist, fehlt - jeden Tag, der natürlich stets wieder der 15. Juli ist. Die Erklärung für das alles ist allerdings mehr als gut durchdacht und originell. Pohl kann ich ebenfalls dick anstreichen.
Larry Niven: Inconstant Moon ist eine wunderschöne, bemerkenswerte Idee, die heutzutage dank des Internets und der Vernetzung nicht mehr funktionieren würde. Doch damals war ja nicht mal der Fernseh-Empfang zuverlässig. Der Mond scheint heller als sonst, verdächtig heller. Der Protagonist, ein Freelancer-Writer für wissenschaftliche Artikel, vermutet, der Grund liegt darin, dass die Sonne heller strahlt. Das könnte verheerende Auswirkungen haben - müssten dann nicht Nachrichten von jenem Teil der Welt kommen, in denen gerade Tag ist? Er selber sitzt in Los Angeles. Er schlussfolgert, dass dort schon alle tot sind und hält das hier für die letzte Nacht seines Lebens. Entsprechend verbringt er sie. Er bleibt nicht alleine, sondern tut sich mit seiner Freundin zusammen, die sich im All deutlich besser auskennt als er und eigene Entdeckungen gemacht hat, die sie ihm zunächst verschweigt.
Im Laufe der Story kommt es zu heftigen Naturphänomen, die die Figuren überzeugen, dass sie es doch mit einer anderen Art von Katastrophe zu tun haben und sie passen ihr Verhalten entsprechend an.
Die Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren, das apokalyptische Setting - das war alles mehr als überzeugend. Das Ende kam etwas plötzlich und unbefriedigend, da hätten durchaus noch ein paar hundert Seiten folgen dürfen.
So wie die Story geschrieben ist, habe ich auf Nivens Prosa auch Lust bekommen, nur nicht unbedingt auf seine Ringwelten.
Karen Joy Fowlers Face Value ist eine Erstkontakt-Geschichte, die mich absolut überzeugt hat. Ich habe mich kürzlich ja selber in dem Sub-Genre versucht und es erstmal vertagt, weil meine Versuche mich alle an "Die Körperfresser kommen" erinnerten (ein Film, den ich nicht mal selbst gesehen habe). Hier ist ein Paar auf einem weit entfernten Planeten, um die sehr fremden "Mene" zu untersuchen, die sich perfekt gegen den ständigen Staub gerüstet haben und so ziemlich alles abschirmen können (Augen, Zähne usw.). Taki, der Wissenschaftler, versucht eine Kommunikation und beobachtet. Seine Frau Hesper, die ihn begleitet, ist Poetin. Die Beziehung der Beiden ist kompliziert, umso mehr verwundert es, dass Hesper bereit war, Taki zu folgen. Immerhin sterben in der Zwischenzeit auf der Erde alle, die sie kannten, auch ihre Mutter, der sie sehr nahe stand. Die Geschichte ist absolut zwingend, gut geschrieben und hat einen verdammt guten Schluss. Ich habe kürzlich erneut eine Geschichte von Fowler gelesen, "The Lake was full of Artifical Things". Die fand ich ähnlich gut. Eine Autorin, die es sich vermutlich lohnt, im Auge zu behalten.
John Crowleys Snow hat mir eigentlich gut gefallen, doch am Ende ist mir aufgefallen, dass es eigentlich gar keinen wirklichen Plot gab und keine Spannungskurve. Es war so gut erzählt, dass es mich während des Lesens kaum gestört hat, nun bin ich aber unsicher, wie und ob ich das rezensieren soll. Ein wenig hat mich die Geschichte an "Simulacrum" von Ken Liu erinnert. Nur diente bei Liu die Technologie nur als Unterbau, in Wahrheit hat er uns etwas über die beteiligten Menschen erzählt. Falls Crowley auch etwas über die Menschen gesagt hat, ist das hier für mich zu subtil gewesen. In Crowleys Geschichte hat eine Drohne die damalige Ehefrau des Protagonisten etwa 8000 Stunden lang verfolgt. Nach ihrem Tod ist er nun dazu in der Lage, in einem speziellen Gebäude, diese Filmstunden anzuschauen. Allerdings nur per Zufallsgenerator. Er kann Szenen nicht wiederholen, nicht gezielt suchen (das hat juristische Gründe). Mit der Zeit gibt es dann aber nur noch Schnee. Für Leute, die das ganz alte Fernsehen noch kannten, ist die Geschichten unter Umständen doch etwas plastischer als für jene, die in diesem Jahrtausend geboren wurden. Ich ziehe Lius Geschichte jederzeit vor - interessantere Technologie, bessere Story - aber auch Crowleys Snow hat was, außerdem ist die Geschichte ja auch viel älter.
Terry Bisson in Bears Discover Fire erzählt in der Tat etwas über Menschen und weniger über Bären. Das Verhältnis des Protagonisten zu seiner sterbenden Mutter und seinem Neffen steht hier viel mehr im Vordergrund als die Bären, die nun in der Lage dazu sind, Feuer anzuzünden. Die Geschichte ist leicht abgefahren, aber schön zu lesen.
John Kells A clean escape ist eine der besten Geschichten in diesem Band, wenn nicht sogar die beste. Ich möchte nicht spoilern, wer sie nicht kennt, weil sie kongenial Fragen aufwirft, die nach und nach beantwortet werden. Eine Frau in einem Raum, ein Mann betritt das Zimmer. Er gibt vor, sie noch nie gesehen zu haben. Sie scheint ihn gut zu kennen. Er hält sich für einen Familienvater Mitte dreißig, sieht aber wie Anfang sechzig aus. Wo sind sie? Wann sind sie? Wer sind sie? Diese Art von Kurzgeschichten sind einfach perfekt und auf der Suche nach ihnen muss ich mich oft durch dutzende andere wühlen, die zu rasch wieder vergessen sind.
Lisa Goldsteins Tourists hat mich auch zunächst an "Osten" von Daniel Kehlmann erinnert (danke an Matthias Thurau, der sich im Gegensatz zu mir noch an Autor und Titel erinnern konnte). Dort hängt eine Frau in einem östlichen Land ohne Handy und co. fest und strandet dort. Zunächst beginnt Goldsteins Geschichte sehr ähnlich, der Protagonist hat kaum noch Bargeld, außerdem fehlt sein Pass. Er hat Schwierigkeiten, zum Flughafen zu kommen (wobei ich denke, er hätte es zu Fuß schon irgendwann geschafft). Dann kommt natürlich noch eine sehr phantastische Komponente dazu, die interessant ist, aber nicht so spannend für mich wie der Teil, in dem er noch versucht, zum Flughafen zu geraten. Witzig ist, dass der Mann nicht mal weiß, in welchem Land er sich befindet.
Harte Fakten
Titel | Masterpieces: The Best Science Fiction of the 20th Century |
herausgegeben von | Orson Scott Card |
Erscheinungsjahr | 2004 (die Geschichten sind aber alle deutlich älter) |
Seitenzahl | 669 |
Anzahl Geschichten | 27 |
Original Twitter Tweet | https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1420642740384174086 |
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