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2050 Spendenanthologie herausgegeben von Anne Polifka und Jennifer Schumann

Da es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, muss ich diesen Beitrag als Werbung kennzeichnen.

 

Die Geschichten mussten alle 2050 spielen - und sollten daher alle einen gewissen SF-Anteil haben. 

 

Außerdem dienen die Einnahmen der Anthologie einem guten Zweck. Bereits in der Ausschreibung wurde gesagt, dass der gesamte Gewinn an "Zeichen gegen Mobbing e. V." geht. 

 

Zu den Storys, die mir persönlich am besten gefallen haben: 

 

 

Gleich die erste Story ist recht kurz und mehr so in Briefform, "Das Manifest der Maschinen" von Chris* Lawaai. Von der Form her weniger interessant, da Briefform, aber die Idee ist ganz ulkig. Dass die Maschinen ein schlechteres Gewissen wegen Klimasünden haben als die Menschen selbst, fand ich glaubwürdig. Es war mir ein wenig zu sehr in die Kerbe "Böse Menschen machen den Planeten kaputt" gehauen, aber eigentlich ist das ja eine Kerbe, die wir durchaus verdient haben.

 

"Apokalyptica" von Galax Acheronian hat meiner Meinung nach einige Plausibilitätsprobleme, macht aber einfach Spaß zu lesen und hat eine coole Pointe. Wie oft bei diesem Autor wird recht viel gestorben und ich habe dabei immer ein wenig den Eindruck, dass nur ich das schlimm finde. Hilfe! Der Ton der Story ist  super und sehr anarchistisch, hat mir gefallen. Nicht alles wurde komplett zu Ende gedacht. Ich lese ja sehr gern post-apokalyptische Prosa, hier fehlt mir so einiges. Laut eigener Aussage war das aber wohl Absicht. Nun, unterhalten war ich definitiv.

 

"Zugriff" von Silvia Krautz ist ein positives Beispiel dafür, wie jemand sich ausgiebig mit Weltenbau beschäftigt hat und das in eine sehr actionreiche Story einbaut - ohne Infodump! Die Autorin muss ich beobachten. Die Figuren bleiben leider blass.

"It's plot-driven", würde Stephen King hier wohl sagen. Rein inhaltlich hätte mich eher interessant, was NACH dem Ende der Geschichte passiert. Fortsetzung gefällig?

 

"Fundsachen" von Michael Johannes B Lange hat mich zwar nicht ganz bis zum Ende überzeugt, aber die Mitte war so gut erzählt, dass ich sie dennoch erwähnen möchte.  Ich fand die Details aus dem Fundbüro nett und das Flirten bei lauter Musik mittels App und getippt - machen die Leute das heutzutage schon so?

Außerdem sind die beiden Hauptfiguren sehr gekonnt charakterisiert.

 

"Neun Sekunden" von Jana Kretzschmar erwähne ich, weil es meiner Meinung nach die beste Story-Idee hatte: Müll in die Zukunft transportieren. Der Plot ging aber über meinen Kopf. Gab es einen Plot? Insgesamt sehr viel narratives Zusammenfassen, aber sehr guter Weltenbau. Vielleicht habe ich ja auch den Schluss nicht verstanden. 

 

"HaRO V721plus" von Katharina Spengler hätte ein besseres Ende haben könnten, war aber dennoch die beste Geschichte der Anthologie.

Die Idee ist extrem gut - wenn das Grundeinkommen bedingungslos ist, müsste das dann nicht auch für denkende KIs gelten?

Es ist szenisch geschrieben, Stil und Sprache sind OK, die Charaktere sind tatsächlich ganz cool. Ich stand nicht so auf den plötzlichen Perspektivwechsel im letzten Drittel (zumal beides Ich-Erzählende sind). Die Referenzen auf Animal Farm haben mich amüsiert. 

 

Fazit

Einige der anderen Geschichten waren ganz gut erzählt, oft gab es auch einen nennenswerten Weltenbau, bei dem ich anerkennend genickt habe. Aber dann fiel die Geschichte entweder plötzlich ab oder es folgte eine Pointe, die völlig aus dem Nichts kam oder in keinem Verhältnis zu dem Konflikten stand, die vorher geschildert worden waren.  

 

Rezensionen von Anthologien sind oft nicht einfach - natürlich könnte ich jede einzelne Geschichte rezensieren, was aber insofern nicht ganz fair ist, dass mich bei Anthologien nie jede Geschichte abholt, Selbst dann nicht, wenn sie von Stephen King oder Ken Liu sind. Kurzgeschichten laden oft zu Experimenten ein, und das führt natürlich dazu, dass man nicht alle kriegen kann.

 

In der Regel gibt es immer eine Handvoll Geschichten, die richtig gut sind, dann ein Mittelfeld und einige Ausfälle. Die Erfahrung lehrt, dass je nach Leser:in allerdings nicht dieselben Highlights darstellen und nicht dieselben Ausfälle. Daher wäre es eigentlich gut, wenn mehrere Rezensent:innen eine Anthologie lesen würden - so wie es beim Buddy-Read von "Am Anfang war das Bild" der Fall ist (in einem Fall fand jemand tatsächlich die Story am stärksten, die ich am schwächsten fand). 

 

Etwas Kritik

Mehr als einmal hatte ich hier das Gefühl, dass die Autor:innen sich vorher nicht mit dem Genre SF oder SF-Kurzgeschichten beschäftigt haben und nicht an den großen Fundus angeknüpft haben. Das ist bei dem Thema auch nicht unbedingt verwunderlich - zunächst einmal kann sich ja jede:r etwas ausdenken, das 2050 spielt und einige gute Ideen sind trotzdem dabei herausgekommen.

Mehr als einmal sind mir logische Fehler aufgefallen oder es war einfach unglaubwürdig:

Ein Gefrierschrank, der sofort abtaut, sobald der Strom ausgeht? Mein Gefrierschrank im Keller hält mehrere Tage ohne Strom durch, bevor es drinnen merklich wärmer gibt. Gleiche Geschichte: Man kann also die Wohnung gar nicht verlassen, weil ohne Elektrizität nichts geht? Kein Notausgang? Ja, das wird später erklärt, aber auch das erschien mir beim Lesen unglaubwürdig.

Andere Geschichte, ähnliche Probleme: Genau eine Person hat Nanobots, auf die alle scharf sind, weil sie rasche Heilung versprechen? Wo die Person diese her hat, müsste es doch noch mehr geben? Wieso sind die begehrten Nanobots nur in dieser Person? Zugegeben: Das hat mich so geärgert, dass ich die Geschichte abgebrochen habe, vielleicht wird das ja noch erklärt. 

 

Was ebenfalls auffiel: Irre viel Infodump, meist gleich auf Seite 1 oder 2. Ja, SF lädt dazu ein, ich weiß, aber in den meisten Fällen hätte man das szenisch lösen können (oder einfach weglassen). Ich will ja keine Essays lesen, wie die Welt möglicherweise 2050 sein wird - ich will Geschichten! 

 

 

Viele der Autor:innen sind noch sehr jung, einige sogar erst 16. Da kann es noch erstaunliche Lernkurven geben, wer weiß, in zehn Jahren bin ich womöglich Fan. Daher würde ich darauf verzichten wollen, jene Geschichten, die mich nicht abgeholt haben, zu erwähnen. Da liste ich lieber jene auf, die mir ganz gut gefallen haben.

Alle enthaltenen Kurzgeschichten

Enthalten sind folgende 25 Geschichten: 

  • Das Manifest der Maschinen von Chris* Lawaai 
  • 2050 von Jonas Englert 
  • Apocalyptica von Galax Acheronian 
  • Blackout von H. K. Ysardsson 
  • Einsame Steine von Nikita Vasilchenko 
  • Zugriff von Silvia Krautz 
  • Wegen eines einzigen Wortes von Philine Galka 
  • Der Preis der Luft von Olaf Raack 
  • Cybernation von Anne-Marie Kaulitz 
  • Der Flügelschlag des Schmetterlings von Sabine Herzke 
  • Die Augen überall von Till Kunze 
  • Vergessenes Morgen von Michaela Göhr 
  • Fundsachen von Michael Johannes B. Lange 
  • Das Herz von Milena Bauer 
  • Überleben von Christian Gronauer 
  • Das Kollektiv von Claire Cursed 
  • Neun Sekunden von Jana Kretzschmar 
  • Der Fall Ute Quemper von Simone Henke 
  • Auf dem Boden der Tatsachen von Malte Aurich 
  • HaRo V721plus von Katharina Spengler 
  • Flare von Anne Polifka 
  • Kontrolle von Luisa Kochheim 
  • Sleeping Beauty von Sam Winters 
  • ACID von Jennifer Schumann 
  • Xeralis von Philip Bartetzko 

Harte Fakten

Titel 2050 
herausgegeben von Anne Polifka und Jennifer Schumann
Erscheinungsjahr 2021 
Seitenzahl 275 
Anzahl Geschichten 25 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1470359790056620040 

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