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Dath, Ellison und "literarische Technik"

Ich hatte ja lange nachgedacht, ob ich "Niegeschichte" mit seinen 1100 Seiten wirklich lesen will. 

Wirklich überzeugt hat mich dann Udo Klotz, als er zu mir sagte: Hey, da ist ein Artikel über Greg Egan drin. 

Super. gekauft. Ich muss ja nicht jede Seite lesen, ist schließlich ein Sachbuch.

 

Ich habe dann natürlich doch von vorn begonnen, wie immer. Wenn ich auch durchaus "rascher" lese, wenn es mir zu theoretisch erscheint.

 

Recht weit am Anfang stieß ich dann auf Überlegungen Daths zu "Jeffty is five" (1977, von Harlan Ellison). Bevor ich weiterlas - Dath spoilert in den folgenden Abschnitten den gesamten Inhalt der Kurzgeschichte und das Thema erschien mir schon nach zwei Sätzen interessant - las ich dann rasch die Kurzgeschichte, da ich diese ebenfalls (noch ungelesen) auf dem Kindle hatte.

Gleich danach kehrte ich zu Dath zurück und bekam erstens eine Auflösung einiger Rätsel, die die Geschichte offenlässt und zweitens durfte ich folgendes lesen:

"Ich war zum ersten Mal bewusst dem Phänomen literarische Technik begegnet."

Dath meint hier das Auslassen von Informationen, ein Andeuten,. Diese Indirektheit (von  mir in Rezensionen auch gern als subtil bezeichnet), ist eine Art zu schreiben, die mir ganz außerordentlich gut gefällt.

Bei Jeffty - Achtung, Spoiler - wird an keiner Stelle klar gesagt, dass Jeffty gestorben ist und wie. Aber trotzdem wird uns beim Lesen klar, dass er tot sein muss, da er fortan nicht mehr vorkommt und es gibt eine Ahnung, wer für seinen Tod verantwortlich sein könnte (wobei das nur angedeutet wird).

 

Dabei musste ich überlegen, wann ich denn das erste Mal mit literarischer Technik in Kontakt gekommen bin.

Stephen King: Der Überlebenstyp

Ganz klar, Enid Blyton und Astrid Lindgren waren es nicht. Und auch nicht Michael Ende, von dem ich irgendwann die Unendliche Geschichte las.

 

Es muss Stephen King gewesen sein und dabei vermutlich der Überlebenstyp, eine Geschichte, die mich nachhaltig beeindruckt hat. Die Story habe ungefähr mit vierzehn gelesen, als ich mich großflächig (endlich!) der Kinder- und Jugendliteratur abwendete und in großem Stil Stephen Kind zu lesen begann, dabei nicht nur seine Romane wie Christine und Es, sondern auch mit Hochgenuss seine Kurzgeschichten, von denen diese ein Highlight war (und auch Travel, uff).

 

Es geht um einen Arzt, der mit einigen nützlichen medizinischen Gegenständen und zwei Kilo Heroinalleine auf einer Insel landet. Dort gibt es Wasser, aber nichts zu Essen. Beim Versuch, einen Vogel zu erlegen, stürzt er und verletzt sein Bein. Ihm wird bald klar, dass er es amputieren muss.

Dies führt er durch. Der Absatz endet mit den Worten:

"Ich war sehr vorsichtig. Ich habe ihn vorher gut gewaschen" (Ich habe das Werk nicht vorliegen und zitiere aus dem Gedächtnis, korrigiert mich gern, aber es müsste recht nah dran sein)

 

Da steht mit keinem Wort, dass er seinen Fuß gegessen hat. Trotzdem wusste ich es natürlich sofort. Es landet im Verlauf der Geschichte noch so einiges in seinem Magen, wirklich fürchterliches, und soweit ich mich erinnere, wird nichts davon explizit geschildert. Sehr subtil, Großartig! Und - eine der gruseligsten Geschichten der Welt.

Plakativ versus subtil: George R. R. Martins Theons Schicksal in GoT

Man erinnere sich an die Serie. Sehr plakativ und mit viel Darstellungsfreude verliert der arme Theon ein Körperteil, an dem er sehr hängt. In der Serie ist das in mehreren Szenen dargestellt und wird bis zur Erbarmungslosigkeit ausgeschlachtet.

 

Nicht so im Buch. Da gibt es einige Kapitel aus Theons Sicht. In einem davon wird klar, dass er einige Finger und Zehen eingebüßt hat in der Folter durch Ramsay. Es heißt dort:

 

"He [Ramsay] has only taken toes and fingers and that other thing, when he might have had my tongue, or peeled the skin off my legs from heel to thigh"

 

Das ist alles. Ich halte es sogar für möglich, dass ich die Stelle überlesen hätte, wenn ich die entsprechenden Folgen der Serie vorher gekannt hätte. Aber wahrscheinlicher ist doch, dass es mich gequält hätte und ich mich gefragt hätte: Meint er etwa das, was ich fürchte?

 

Zwar bin ich sicherlich bekannt dafür, schnell zu lesen (vor allem Romane), im Zweifel schätze ich aber doch Subtilität weit mehr als plakative Ansagen. Plus, solche Stellen fangen meine Augen doch meistens auch bei Blitzgeschwindigkeit ein.

Frage an euch: Wann seid ihr mit literarischer Technik in Berührung gekommen?

Her mit euren Geschichten! Hier in den Kommentaren oder bei twitter.

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