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The Making of Yolanda la Bruja von Lorraine Avila

Durch eine Rezension in der vorletzten Locus bin ich auf den Roman gestoßen und habe mir das Hörbuch gegönnt.

 

Selbstverständlich sind beim Hören in einer Fremdsprache einige Details an mir vorbei gegangen, doch ich habe doch ausreichend Details mitbekommen, um eine etwas ausführlichere Rezension zu wagen zu dem Thema:

 

Was ist eigentlich gerade im YA-Bereich in den USA los, bezüglich progressiver Phantastik?

 

 

Die Perspektive: Yolanda

Yolanda ist die Ich-Erzählerin. Wir lernen sie im Laufe des Romans gut kennen, und es gibt einiges über sie zu wissen. Und über ihre Familie, ihr Umfeld.

 

Sie ist das Kind von zwei Schwarzen Einwander:innen aus der Dominikanischen Republik, ihre Muttersprache ist Spanisch. Es geschieht, dass andere Einwander:innen aus südamerikanischen Ländern sich über ihre Spanischkenntnisse wundern. Das nervt sie. Schließlich würde es in Südamerika prozentual viel mehr Schwarze geben als in den USA. 

Ihr Vater war im Gefängnis, ihre Eltern sind getrennt, der Vater hat eine neue Familie, Yolanda verbringt auch viel Zeit bei ihrer Oma. Inzwischen ist der Vater wieder frei, doch die Ereignisse der Vergangenheit haben ihr Leben und ihren Alltag stark beeinflusst. 

 

Mit Einsetzen der Menstruation wachsen auch ihre Hexenkräfte und ihre Visionen. Die fiese Unregelmäßigkeit der Menstruation (plus Beschwerden), die in den Anfangsjahren viele heimsucht, wird gut geschildert und vor allem: überhaupt geschildert, was eher nicht selbstverständlich ist. Ich fand das erfrischend. Wo waren solche Romane, als ich 14 bis 17 war?

 

Sie hat einen Love Interest, José, eine absolut nicht toxische Beziehung. Eine beste Freundin, Victory, die quasi so etwas wie Familie ist.

 

Yolanda ist hörbehindert, beherrscht Gebärden (und ihre Familie ebenfalls), nutzt das Cochlea-Implantat (kann man auf den Titelbild auch gut sehen). Damit kann sie gut hören, sie gebärdet aber immer noch ab und an. 

Das Thema: White Supremacy und Gewalt and Schulen

In Yolandas Schule sind quasi alle Schwarz. Nur ein Mädchen, deren Eltern aus Albanien eingewandert ist, ist weiß. Sie wird aber von den anderen wegen ihres migrantischen Hintergrunds nicht wirklich als weiß empfunden, ihre Lebensrealität ist der der anderen sehr ähnlich, mit wenigen Unterschieden aufgrund der Hautfarbe. So muss die Albanerin nicht zusammenzucken, wenn Polizei sich nähert und Kaufhausdetektive heften sich nicht an ihre Fersen, wenn sie einen Supermarkt betritt.

 

Gegen Ende des Schuljahrs kommt ein neuer Schüler zu ihnen: Ben. Ben ist weiß, sein Vater Politiker. Ben war vorher an Privatschulen. Er ist auch finanziell ganz anders aufgestellt.

Es ist offensichtlich, dass er die Schule von Yolanda hasst. Yolanda hat Visionen von Ben, wie er eine Waffe mit zur Schule bringt und Amok läuft. Sie hat Probleme, damit umzugehen, da sie keine Beweise hat, aber Leid vermeiden will. Außerdem ist in der geschilderten Realität Hexenkraft offenbar weniger besonders als es das in meiner Welt ist, aber immer noch längst keine Selbstverständlichkeit für alle. Obwohl ich immer wieder verwundert feststelle, wie wenig sich die Leute wundern, wenn Yolanda ihre Fähigkeiten gesteht. Vielleicht steht das für "Anderssein, aber trotzdem akzeptiert werden"? Falls ja, finde ich das richtig gut gemacht.

 

Zwischenzeitlich versucht Yolanda, Ben kennenzulernen und ihm ggf. zu helfen, da sie auch gutes in ihm sieht. Sie kommt allerdings damit nicht sehr weit.

 

Es kommt, wie es kommen muss, die Yolanda sieht (visions-mäßig) eine Waffe in Bens Rucksack und ihre Freundin Victory überredet sie, die Polizei zu alarmieren. Die kommt auch, findet aber die Waffe nicht. Die Schule wird geräumt, der Ball abgesagt, Yolanda muss zu Therapie (Sidenote: Die Therapeutenperson ist nonbinär, Pronomen "they").  Später geschieht es dann doch - mit schlimmen Folgen.

 

Am Ende wird schon ziemlich dick aufgetragen, ich überlegte erst, ob es mir zu dick ist, aber dann musste ich doch weinen und außerdem glaube ich, dass es für die Zielgruppe das richtige ist und zudem vermutlich für Betroffene sehr empowernd. Meine eigene Lebensrealität ist sehr weit entfernt von der der Schüler:innen in dem Roman und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie quasi täglich Diskriminierung erfahren, Unterdrückung und sogar auf sie geschossen wird. 

 

Hey, Hey NRA, what if your kid does not come home today?

 

Das Thema ist wichtig und der letzte Beitrag zu diesem Thema kam für mich von Michael Moore, der vorletzte von Stephen King. Das ist dann doch recht dünn und lange her und bedurfte dringend einer moderneren, aktuelleren Version. 

 

Ein toller, wichtiger Roman, sobald meine Kinder Englisch können, schalte ich den für sie frei, bis dahin sind sie auch im richtigen Alter dafür.

 

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