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Frozen, Ghosted, Dead von Sameena Jehanzeb

Inhalt

Niobes Mutter Mona wird ermordet, sie kann als Täterin nicht ausgeschlossen werden. Eigentlich wollten sie und ihre Kusine Julie nach Gaia auswandern. Dann wird sie von einer Gestalt, die sich "Geist" nennt, gestalkt und bedroht. Der zuständige Kommissar Markus Brill besorgt ihr Personenschutz in Form von L, die erst seit fünf Jahren in dieser Welt zuhause ist und gerade zu Unrecht von ihrem regulären Job suspendiert worden ist. 

 

Es knistert von Anfang an gewaltig zwischen den beiden Hauptfiguren, gleichzeitig wächst das Rätsel um Niobe (und um L und ihre Vergangenheit und Gegenwart): Wer hat Niobes Mutter Mona getötet? Wer ist Geist? War Geist früher schon gegen Niobes Familie tätig? Wem kann man trauen?

Fazit (ohne Spoiler)

Die große Stärke des Romans ist der Weltenbau. Der ist außerordentlich gelungen -  top! Und zwar ohne ellenlangen Infodump, sondern in guten Portionen, nachvollziehbar, zur Handlung passend. Den habe ich genossen! Es gibt auch genügend, was lange im Dunkeln bleibt, so dass ich stets am Fortgang des Plots und an der Welt interessiert blieb. 

 

Der Twist hundert Seiten vor Schluss war gut vorbereitet, aber unerwartet. Ein "All ist lost"-Moment, klassisch und auch gelungen. 

  

Das Rätsel hat mich zunächst nicht interessiert, als mehr und mehr Informationsbrocken zusammengesucht wurden, fing ich doch Feuer und fragte mich, wie es der Autorin gelingen würde, die Fäden miteinander zu verschnüren. Mir war klar, dass es für die Gesamtwertung einen großen Unterschied machen würde, wie gut die Auflösung mir gefallen würde.

 

Insgesamt hätte meiner Meinung nach das Buch fünfzig Seiten weniger haben können. Die Liebesgeschichte ist Geschmackssache, die hätte für mich weniger Raum einnehmen können. Die Figuren denken zwischendurch viel nach, einiges davon ist unverzichtbar, anderes hätte eine Leerstelle bleiben können oder wirkt redundant. Ich hätte mir die Handlung kompakter gewünscht.

 

Noch ein Wort zum Selbstverlag: Ein aufmerksames Lektorat, ein fast perfektes Korrektorat und ein beeindruckender Buchsatz! Da waren Profis am Werk.

Romanfiguren

Das Wichtigste zuerst: Alle Figuren konnte ich gut unterscheiden, auch Nebenfiguren oder Figuren, die zunächst nur erwähnt wurden oder im Off vorkamen oder zum Zeitpunkt der Handlung verstorben waren. Das hat die Autorin überdurchschnittlich gut drauf. Ich fühlte mich da als Leserin gut aufgehoben und konnte mich jederzeit orientieren, habe niemanden verwechselt und war nie von der Zahl der Figuren erschlagen, sie wurden in ausreichendem Abstand und auch gut erinnerbar eingeführt. Ich betone das, weil das absolut nicht selbstverständlich ist, auch bei internationalen Bestsellern nicht.

 

L war mir am nächsten, viel näher als Niobe, obwohl auch sie gut beleuchtet war. Ausnehmen interessant ist, dass L ein Jahrhundert im Kälteschlaf verbracht hat und erst seit fünf Jahren wieder wach ist, ihr Kulturschock und ihre Unkenntnis der Welt, in der sie lebt, wird klar. Durch ihre Perspektive erleben wir diese Welt durch jemanden, der sich dort noch nicht perfekt auskennt, was uns beim Lesen das Zurechtkommen erleichtert und es ermöglicht, Fragen zu stellen und die Antworten zu erfahren, ohne dass es im Dialog plump daherkommt. 

Buchaussage

Die A-Story ist ein klassischer Krimi, den ich nach einer Anlaufphase genossen habe. Ich lese selten Krimis, weil aus meiner Sicht kaum jemand mit Agatha Christie mithalten kann. Diesen Roman habe ich gelesen, weil es SF ist, da kam der Krimis quasi kostenlos obendrauf. Ich gebe zu: Ein guter Krimi.

 

Weiterhin die A-Story ist für mich die Liebesgeschichte, von der ich persönlich mir wünschte, sie hätte deutlich weniger Raum eingenommen.

 

Okay, über die B-Story kann ich ohne Spoiler nichts sagen. Über die Prämisse auch nicht. Ich war davon überrascht und bin gern mitgegangen. Das wurde gut vorbereitet, trotzdem habe ich es nicht kommen sehen.  Das ist tatsächlich eines dieser Bücher, bei dem ein Spoiler die Lesefreude schmälern würde.

Weltenbau

Highlight. Gut vermittelt, ohne Infodump. Das zeichnet diesen Roman äußerst positiv aus! Ich habe genügend Leerstellen, die ich mir auffüllen darf, was ich ebenfalls genossen habe.

Schön fand ich, wie nebenher die Telarin (die Außerirdischen) eine Rolle spielen, ohne im Mittelpunkt zu stehen.

Es gab Detail-Ideen wie den Sindex am Ohr der Leute, der mittels Farben anzeigt, was und ob sie in romantischer Hinsicht suchen. 

Langzeitarchivierung / Digital Forensics

Da ich beruflich mit digitaler Langzeitarchivierung zu tun habe, freue ich mich, wenn das Thema (und sei es nur am Rande) in einem SF-Roman auftaucht. Hier gibt es das Institut für Historische Rückgewinnung und wie diese vorgehen, wird an einer Stelle ausführlich geschildert. Das hat mir gut gefallen, schönes Stück Weltenbau.

Sprache und Stil

Ich wünschte, die Leute würden weniger Phrasen und konventionelle Bilder benutzen. Leider habe ich hier doch so viele gefunden, dass es mir mal hie mal da den Lesespaß etwas verringert hat. Mir ist bewusst, dass die Autorin sich da in guter Gesellschaft befindet, trotzdem möchte ich ein paar Beispiele nennen:

  • Niobes Welt stand Kopf
  • Ein Schauer lief ihr über den Rücken
  • fiel. Ins Bodenlose
  • begann ihr Blut zu brodeln und sie musste sich am Riemen reißen
  • waren heiß begehrt und die Tickets unverschämt teuer
  • Nerven inzwischen zum Zerreißen gespannt
  • erstarrte zur Salzsäule
  • wirbelte sofort herum
  • Blick hatte sie mitten ins Herz getroffen

Auf der anderen Seite habe ich auch durchaus ein paar sehr schöne, auch direkt an die Welt angepasste Vergleiche und Metaphern gefunden, die ich sehr genossen habe:

 

"Möglicherweise lag darin das eigentliche Problem. L hatte ihren Pinguin verloren und nun waren sie ausgestorben."

und

"Markus war ein Waisenkind wie L und wie sie hatte er vor ein paar Jahren seinen Pinguin verloren"

(Okay, das versteht man nur, wenn man den Roman kennt, trotzdem schönes Bild.)

 

Humor gab es auch. An einer Stelle sprechen Niobe und Julie über eine berühmte Person mit vielen Follows und diese möchte ebenfalls nach Gaia, was eine längere Reise im Kälteschlaf beinhaltet. Dazu Julie: "Neunzig Jahre Kälteschlaf sind nicht gerade gut fürs Marketing." Okay. Made my day.

 

Schön fand ich auch die "Ansage" der Telarin an die Menschen: "Respektiert euren Planeten oder wir beschlagnahmen ihn und katapultieren eure parasitären Ärsche in den offenen Raum". Normalerweise prangere ich es ja an, wenn mir etwas plakativ vorkommt, hier war der Ton aber angemessen. 

Trivia

  • Der Roman umfasst sechs Wochen erzählte Zeit (sofern man das letzte Kapitel ignoriert)
  • An einer Stelle wird statt Vater oder Mutter oder Elternteil "eines Elters" verwendet, was Gendersensibilität zeigt
  • Auf dem Schiff nach Gaia ist Platz für 13.000 Menschen und 2000 Telarin
  • mehrfach bezeichnet Nibeo L als ihren Bodyguard und wir verbessert. L sei ein "CPO, Close Protection Operative"
  • Die Kaffeepflanze ist vor über hundert Jahren ausgestorben, zum Glück gibt es Ersatz: Kafflon
  • Durch Dialog von Niboe erfahren wir recht viel über die Welt, einmal nennt sie L deswegen "Lexikon auf zwei Beinen"

Wie bin ich zu dem Buch gekommen?

Klar, 2022 erschienen, deutschsprachig und Science Fiction. Die kann ich natürlich auch nicht alle lesen, aber außerdem wurde mir dieser Roman von mehreren Personen meines Vertrauens empfohlen.

Über die Autorin

Ich hatte bisher noch nichts von ihr gelesen, das wird sich aber sicher nun ändern. Hier ist der Twitter-AccountWebseite hier.

Diversität

Abgesehen davon, dass eine lesbische Beziehung im Vordergrund der Handlung steht, nutzt die Autorin die Möglichkeit, Diskriminierung so zu zeigen, wie sie in unserer Gegenwart nicht existieren kann. 

In der von Jehanzeb entwickelten Welt gibt es Menschen, die aufgrund von Krankheit oder eines Unfalls cyberpunk-mäßig "repariert" worden sind.  Diese Personen verlieren aber danach ihren Status als Mensch, können nichts mehr erben usw., werden per Gesetz diskriminiert. Das ist krass.

Es wurde sich respektvoll mit Behinderung auseinander gesetzt, und mit den Möglichkeiten in dieser Welt, diese ggf. durch Technik auszugleichen (das hat einen hohen Preis).

 

Andere Hautfarben wurden ebenfalls mitgedacht, Niobe ist Schwarz. 

 

Leichte Idee: beim Lesen Ich verstehe das Bedürfnis, die Hauptfiguren attraktiv zu gestalten, vor allem, wenn Liebe eine große Rolle spielt, mir waren sie beide etwas zu hübsch.

Harte Fakten

Titel Frozen, Ghosted, Dead 
geschrieben von Sameena Jehanzeb 
Verlag Selbstverlag 
Rezensionsexemplar nein, aber Frei-Exemplar für DSFP 
Erscheinungsjahr 2022 
Seitenzahl 424 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1544614577693933569 
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