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Haller 19 - Up, up and away: Ich will fliegen! (HALLER: Literaturzeitschrift) herausgegeben von Corinna Griesbach

Inhalt

Einige wenige Literaturzeitschriften lese ich immer. Zumindest blättere und stöbere ich intensiv in ihnen. Haller ist eine davon.

 

Diesmal hatte ich sehr den "Wo ist hier Science Fiction versteckt?"-Hut auf, weshalb die Rezension darauf einen klaren Schwerpunkt legt. 

 

Darüber hinaus habe ich auch in andere Geschichten (ich nenne nichtphantastische Prosa gern "Vanille") und in einige Interviews neugierig hereingelesen.

 

Einen wirklich guten Überblick kann man sich übrigens auch bei Instagram verschaffen, ich glaube, die Drohne passte komplett in die Lesung, Achim Stößer, Jens-Philipp Gründler und Roland Grohs lesen ihre Storys and und ich vermute, es wird noch etwas hinzukommen.

 

Witzig übrigens, die Drohne gelesen vom Autor war viel lebhafter und actionreicher als ich sie selbst beim Lesen empfunden habe. Das hat mir vorgelesen viel besser gefallen als selbst gelesen.

 

Auch die Lesung von Achim Stößer hat mir ebenfalls gut gefallen, wobei ich die Geschichte ähnlich lebhaft auch beim Selbst-Lesen empfunden habe.

Gesamteindruck und Highlights

Erstens finde ich es richtig gut, wenn eine Anthologie oder eine Zeitschrift mit Kurzgeschichten erscheint und danach auch richtig was passiert. Wie hier die Kurzlesungen bei Instagram. 

 

Zweitens mag ich die Interviews mit den Autor:innen. Besonders beeindruckt hat mich das Interview mit Arno Endler - er liest alle Storys in Anthologien, in denen er vertreten war. Plus, er hat schon 130 Storys veröffentlicht. Wahnsinn!

 

Das Interview mit Achim Stößer hat einiges noch mal erklärt, was ich mich über diesen Autor schon immer verwirrt gefragt habe.

 

Und in dem Interview mit Jenny Cazzola entdeckte ich einiges wieder, das ich einfach so unterschreiben würde, wie, dass Anthologien und Kurzgeschichten meist zu wenig Aufmerksamkeit erhalten und sie deswegen vor allem Kurzprosa rezensiert.

 

Wer meine Rezensionen kennt, weiß, wonach ich normalerweise suche. In Kurzprosa lese ich ungern infodumpige Rückblicke.

Zu lange Passagen ohne lebhaftes Innenleben oder Dialoge oder gut geschilderte Action vertrage ich nicht besonders gut. Gern würde ich möglichst nah an die Figuren heran und sie kennenlernen, und ich sehne mich nach einprägsamen Details. Wird etwas auf altbekannte Art geschildert, bin ich weg.

Schön ist, wenn die Idee nicht neu ist, es macht aber nichts, wenn bekannte Ideen gut neu erzählt würden.


Daher habe ich zwei klare Highlights in dieser Zeitschrift:

 

Der fliegende Frosch von Achim Stößer

Nachdem ich ungefähr ein dutzend Kurzgeschichten von Stößer gelesen habe (alleine neun aus 2022!), weiß ich hoffentlich ungefähr, was ich erwarten und was ich nicht erwarten kann. Selten bietet dieser Autor mir spektakuläre Figurentiefe, aber bisher immer solide Struktur, sehr angenehme Sprache. Außerdem er weiß eigentlich immer, was er tut, wenn er mir auch gelegentlich einen großen Zaunpfahl aus den gelesenen Seiten gegen den Kopf knallt.

Hier ist Stößer at-his-best, alleine schon, was die lebhaften Dialoge betrifft. Die beiden Hauptfiguren werden treffsicher durch die Dialoge charakterisiert, der personale Erzähler Flloyd etwas vorsichtig, fast schüchtern, angenehm nicht-machomäßig und (zunächst) zurückhaltend, jedoch neugierig und die toughe, etwas genervte Frau, Franziska, die keine Lust hat, ein zu oft geführtes Gespräch schon wieder zu führen, sich aber auf Floyd kommunikativ einlässt, als sie echtes Interesse an ihrer Situation spürt.

Das alles fast nur durch Dialoge, gepaart mit gekonnten Details der Umgebung (Stichwort Kneipe, Bierlache, Servietten).

Später im Dialog wird Franziska doch recht oft von Floyd korrigiert, wobei ich gestehen muss, dass ich auch versucht wäre, wenn jemand Begriffe wie Moleküle nicht mehr anständig ausformulieren kann. 

Daneben spürt man eben auch mit leichtem Augenzwinkern, wie Superkräfte ein wenig aufs Korn genommen werden. 

Außerdem mag ich den Bezug zu CERN. Aber das ist wohl der Nerd in mir.

 

Der magische Moment und die Zukunft von Arno Endler

Und nun zu etwas völlig anderem. 

Endler sorgt dafür, seinen Ich-Erzähler in den ersten Absätzen greifbar und sympathisch zu machen, bevor er ihn seine Enkelin treffen lässt. Es gibt kaum Dialog, und ist trotzdem lebhaft!

Alles findet im Kopf des Erzählers statt. der die Zukunft seiner Enkelin Mia sieht, quasi ihr Leben an den Eckpunkten vorhersieht. Das mag als Thema nicht neu sein, ist aber liebevoll gemacht und bildet auf wenig Raum die Möglichkeiten des Lebens ab, so dass ich mich habe mitnehmen lassen. 

Plus, mir gefällt der große Abstand, den der Autor zu Phrasen hält und seine aktiven, starken Verben. Als B-Story steckt da noch mehr drin als nur die Möglichkeiten seiner Enkelin (oder generell, des Lebens), es beginnt, es klettert auf den Zenit, aber es wird auch enden. Beim Lesen dieser Geschichte habe ich aber kurz das Gefühl, dass das dann auch okay sein wird. Danke.

Alle enthaltenden Geschichten

Anke Laufer: Das gefiederte Jahr

Michael Georg Bregel: Die Drohne

blumenleere: dream a little dream with xy

Yoanna Schulz-Zhecheva: Der Strochenjäger

Karl-Joann Müller: ich hatte mir vorgestellt zu fliegen

Katharina Stein: Nur zu Besuch

Martina Berscheid: Hannah

Florian L. Arnold: Spielzeug des Himmels

Peter Pau Wiplinger: Flug Fahrt

Roland Grohs: Mondspaziergang

Arno Endler: Der magische Moment und die Zukunft

Jens-Philipp Gründler: Der Jüngste Tag

Maike Braun: Verbindungsabriss

Jenny Cazzola: Monsterbakken

Jutta von Ochsenstein: Aufheben

Achim Stößer: Der fliegende Frosch

Harte Fakten

Titel Haller 19 - Up, up and away: Ich will fliegen! (HALLER: Literaturzeitschrift)
herausgegeben von Corinna Griesbach 
Verlag p.machinery 
Rezensionsexemplar nein, aber DSFP Frei-Exemplar 
Erscheinungsjahr 2023 
Seitenzahl 152
Kurzlesungen bei Instagram unter diesem Link 
Anzahl Geschichten 16 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1614977332728545281 
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