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Lesemonat Januar 2023

  Titel Autor:in M/W/nb Erscheinungsjahr Land Print / Ebook / Hörbuch Seitenzahl
1 The Nightland Express J. M. Lee  m 2022 USA gelesen (englisch) 293 
2 Die Knochenuhren  David Mitchell m 2016  GB gehört (deutsch) 801 
3 Twice in a lifetime  Melissa Baron  w 2022 USA gehört (englisch) 312 
4 The Year's Best Dark Fantasy & Horror Vol. 1 diverse   2022 diverse gehört (englisch) 393 
5 The future is female  diverse  w 1970er  USA gelesen (englisch) 450 
6 Belichtungszeit  Thorsten Küper m 2003-2019 DE gelesen (deutsch) 248 
7 Weasels in the Attic  Hiroko Oyamada  w 2022 Japan gelesen (englisch)  96 
8 The Hole  Hiroko Oyamada w 2020 Japan gelesen (englisch) 92
9 Haller 19  diverse   2023 gelesen (deutsch)  209 
10 Nova 32  diverse   2023 D gelesen (deutsch) 230 
11 Kollaps und Hope Porn  diverse   2022 gelesen (deutsch)  160
12 Dunkle Gewässer Joe R. Landsdale m 2013 USA gehört (deutsch) 310
13 Fern vom Licht des Himmels Tade Thompson m 2022 GB/Nigeria gelesen (deutsch) 379
14 Der Mann, der vom Himmel fiel Walter Tevis m 1963 USA gelesen (deutsch) 257

Über den Lesemonat

Ich lese etwas langsamer, so scheint mir, aber das ist okay. Allmählich habe ich einen guten Überblick und muss nicht mehr so hetzen. 

Ich rezensiere auch wieder mehr, wenn auch meistens etwas kürzer.

 

14 Werke gelesen, davon drei rezensiert und die Rezension der NOVA 32 folgt wahrscheinlich noch, da möchte ich zwei der Storys gern vorher wiederlesen.

 

Werke ohne Rezension:

 

The Nightland Express

Großartig! Dabei ist es Fantasy (gar nicht mein Genre) und spielt 1860 (historische Romane lese ich so gut wie nie), aber beides muss so sein für die Story und bietet so vieles, das ich an guten Romanen sehr schätze. 

Ich hätte wohl nie reingeschaut, wenn die Rezension in der letzten Locus nicht so interessant geklungen hätte.

 

Es ist genau das, was ich an phantastischer Literatur so schätze:

Mit Ben und Jesse gibt es zwei Hauptfiguren, die ausreichend viele Probleme haben, dass es auch für mondäne Fiktion total ausreichen würde.

Ben hat eine Schwarze Mutter, rasiert sich die Haare ab und gibt sich als Weißer aus. Obwohl er theoretisch laut Testament seines (weißen) Vaters nun frei ist, lässt ihn sein (weißer) Halbbruder Randall trotzdem suchen und ist wild entschlossen, ihn weiterhin als sein Eigentum zu betrachten. Richtig schönes Detail: Ein Halbsatz, der andeutet, dass sie als Kinder nur Brüder waren und befreundet und keine Unterschiede zwischen sich gesehen haben. Da steckt eine ganze Welt in so einem Halbsatz. 

Außerdem ist Penny, von der zunächst absichtlich offen gelassen wird, in welchem Verhältnis sie zu Ben steht, noch versklavt und würde auch nie als Weiße durchgehen.

Die zweite Hauptfigur ist Jesse, die dringend den Vater kurz vor Kalifornien finden und heimbringen muss. Ihre jüngere Schwester Alice ist schwanger (und unverheiratet) und die beiden haben finanzielle Probleme. Abgesehen mal davon, dass man als junge Frau zu der Zeit kaum ernst genommen wird, scheint Jesse auch trans zu sein (ohne zu wissen, dass es das gibt) und gibt sich während des Romans sehr erfolgreich in gestohlener Männerkleidung für einen Jungen aus.

Zu Beginn der Handlung ergattern die beiden den Job beim Pony Express, den beide dringend brauchen (nicht ganz fair ergattert, würde ich sagen). 

Bei 15% wird die phantastische Komponente angedeutet, bei 25% wird es klar, am Morgen danach fragen sie sich noch verwirrt, wie sie damit umgehen sollen, bei knapp vor der Hälfte gibt es dann einen Plottwist, der aufklärt, mit was genau wir es zu tun haben.

Äußerst menschlich. Tolle Szenen. Sogar gute Kampfszenen! (Endlich!) 

Die phantastische Komponente wird irgendwann abenteuerlich, zumindest für mich, da ich Fantasy nicht gewohnt bin und mich mit Faeries nicht auskenne, auch den gesamten Mythos dahinter nicht kenne. Das habe ich dann einfach hingenommen, da alle anderen Ebenen für mich ausreichend spannend blieben, tat das meiner Lesefreude kaum einen Abbruch.

Bis zum Schluss wundervoll, auch die Geschichte einer Freundschaft.

 

Die Knochenuhren

Ich sollte aufhören, ständig Mitchell zu lesen. Beim Nachschlagen stelle ich verblüfft fest, dass es erst mein dritter Roman von ihm ist, offenbar kam mir der Wolkenatlass vor wie mehr als einer.

Wieder gibt es viele Perspektivwechsel und ich brauche immer lang, bis ich mich an eine neue Stimme gewöhne.

Schön ist der letzte Teil, der wieder zur Anfangsprotagonistin zurückkehrt. Ja, es gibt einen roten Faden und viele Kreise werden geschlossen, es ist auch gut geschrieben, aber es gibt so viel Speck drumherum, dass ich einen röteren Faden vermisse.

Ich habe auch nur noch ein Buch von Mitchell auf dem SuB (Chaos).

 

Twice in a lifetime

In der Locus-Rezension hieß es, man müsse einige Zeitreise-Paradoxa schlucken, aber es hieß auch, eine Hauptfigur mit Depressionen würde irre gut dargestellt. Mir macht eine gewisse Unlogik nichts aus. Vor allem dann nicht, wenn ich nicht darüber nachdenken muss, ob ich es irgendwo nominiere.

Daher habe ich das Hörbuch gehört: Es ist einfach so geil, wenn die Hauptfigur sich wie ein echter Mensch anfühlt! So plastisch! 

Isla ist 29, und gerade nach einem nervous Breakdown aus Chicago weggezogen in ein kleines Haus irgendwo in Missouri. Ihr Job als Grafikdesignerin war mega anstrengend und sie hat dazu noch ihre Mutter gepflegt, bis zum Tod. Das Verhältnis zum (geschiedenen) Vater ist schwierig. Sie ist eine graue Maus, hatte erst zwei Beziehungen. Sie leidet unter allem möglichen depressionsähnlichen Dingen und ist extrem unsicher.

Daneben ist sie Künstlerin, offenbar eine gute, aber hat sich bisher nichts getraut. Eine beste Freundin gibt es auch. Also eigentlich schon genug Plot für ein gutes Buch, aber dann kommt die phantastische Komponente dazu. Ich finde übrigens, man sollte sich nie nur auf die phantastische Idee verlassen, sondern sie immer echten Menschen passieren lassen, die auch für mondäne Fiktion interessant genug wären.

Isla kriegt Textnachrichten von einer ihr nicht bekannten Nummer. Offenbar textet ihr zukünftiger Ehemann voller Trauer (denn sie ist in seiner Gegenwart gestorben) an ihre Nummer, dass er sie vermisst, und ist selbst total überrascht, als sie antwortet. Er antwortet, sorry, es war ihm nicht klar, dass die Nummer schon neu vergeben ist und sie ist verwirrt und textet zurück, sie habe die Nummer schon seit zehn Jahren. Er rafft daher deutlich vor ihr, was los ist, muss sie aber überzeugen.

Deutlich höheres Niveau als Haus am See mit Reeves/Bullock, aber weniger gut als die Frau des Zeitreisenden.

Die phantastische Komponente versiegt nach einigen Stunden, danach geht es nur noch um die Figuren und ihr Leben, leider ähnelt der Roman zeitweise auch zu sehr einer völlig normalen Liebesgeschichte mit durchaus expliziten Knutsch- und Sexszenen, die ich während des Hörens unnötig fand, auch wenn sie durchaus gut geschrieben sind. Rückblickend fand ich sie nicht ganz so unnötig, weil sie vermutlich noch mal die Beziehung der beiden Hauptfiguren unterstreichen sollte.

Gegen Ende kehrt die phantastische Komponente auf unerwartete und durchaus komplett unglaubwürdige und meines Erachtens sinnlos konstruiert zurück. Was soll hier die Prämisse sein?

"Was geschehen soll, geschieht, du kannst es nicht verhindern?"

Das hätte dieser Roman nicht nötig gehabt. Twice in a lifetime ist sowohl sprachlich als auch stilistisch auf extrem hohen Niveau, was einige Figuren (vor allem Isla!) betrifft, in der Tiefe beeindruckend (Ewan hätte  mehr Speck vertragen können) und in seiner Behutsamkeit und seinem Einfühlungsvermögen für Menschen mit Anxiety Problems wie Isla vielleicht sogar der beste der Welt, jedenfalls der beste, den ich kenne.

Meines Erachtens geht es auch genau darum: Isla, wie sie sich ein Leben in der Welt aufbaut, ein lebenswertes Leben, möglichst ohne Schmerz. Für mich wäre es auch okay gewesen, wenn sie das am Ende ganz ohne Partner geschafft hätte. Ein wenig wird auch angedeutet, dass sie das aus sich heraus schaffen sollte und irgendwie auch schafft.

Ich bin sowieso kein Fan davon, wenn ein Mensch nur durch die Liebe eines anderen Menschen gerettet wird, aber genau darum scheint es zum Glück hier auch nicht zu gehen.

 

The Year's Best Dark Fantasy & Horror Vol. 1

Einiges daran hat mir richtig gut gefallen! Manchmal war es zu harmlos oder ich habe die Story nicht gerafft.

Um mal einige hervorzuheben:

Surviving Child von Joyce Carol Oates: Fieses Schicksal, aber sehr schöner Twist am Ende!

Thoughts and Prayers von Ken Liu (kannte ich aber schon): Sehr gute Analogie zu heutigen Internet-Trollen.

Gutes Beispiel für die gelungene Sicht in der zweiten Person Singular und da gibt es aus meiner Sicht nur sehr wenige gelungene Beispiele. Some Kind of Blood-soaked Future von Carlie St. George ist eine Ausnahme, hier passt das.

Die Story ist echt heftig und eine Weile ist sie mir eigentlich zu heftig, In dieser Welt gibt es extrem viele Amokläufer, die wild töten, fast in jeder Stadt. Die Protagonistin überlebt diese Ereignisse häufig, wird aber traumatisiert und setzt sich zum Ziel, die Mörder:innen festzusetzen, bevor sie Schaden anrichten oder zumindest früh während eines Amoklaufs. Das macht es schwer, Freundschaften zu schließen. Aber genau das ist die B-Story: Freundschaft.

Fazit: Einige Storys waren aber auch richtig, richtig gut! Ich habe einige nicht zu Ende gehört, andere zweimal versucht, oft zurückgespult, hatte insgesamt viel Spaß. Aber ja, Kurzgeschichten zu hören statt zu lesen ist anstrengend, daher mache ich das auch nicht sehr oft. Als nächstes lieber wieder ein Roman.

Aber von einer Autorin habe ich gleich einen Roman gekauft. :-) Und durchgelesen, siehe unten, Joyce Oates.

 

The future is female 

Wenn ich so sehe, was für gute SF-Storys es in den Siebzigern gab, würde ich manchmal gern nur noch alte Storys lesen, die sich seit Jahrzehnten beweisen, anstatt in aktuellen Jahrgängen nach Perlen zu suchen.

 

Weasels in the Attic 

Ein sehr kurzer Roman, der auch noch aus drei Novellen (oder eher drei Kurzgeschichten) besteht, allerdings immer mit denselben Personen (oder nahezu denselben) und chronologisch aufeinander aufbauend. Es gibt so viel Subtext und die Figuren sind so echt, dass es einfach Spaß macht. Möglicherweise kaufe ich mir die anderen beiden Romane der Autorin auch noch.

Die phantastische Komponente ist allerdings sehr dünn, oder eben auch im Subtext.

 

The Hole

Ich habe dann gleich noch einen weiteren Kurzroman der japanischen Autorin hinterher geschoben - aber den dritten habe ich dann doch lieber nicht gekauft, ich raffe nämlich mindestens die Hälfte nicht, wenn es auch Spaß macht zu lesen. The Hole hatte mir aber weniger gut gefallen als Weasels in the Attic

Eine Frau zieht mit ihrem Mann um, wohnt im Nachbarhaus der Schwiegereltern mietfrei, muss nicht arbeiten, langweilt sich (damit konnte ich mich gar nicht identifizieren), trifft ihren vermeintlichen Schwager, der in einer Hütte hinter dem Haus wohnt - fällt zwischendurch in ein Loch, sieht seltsame Tiere. Alles irgendwie subtil verstörend, nicht wirklich Vanille, aber auch nicht Dark Fantasy. Als würde man ein Eis essen, dessen Geschmack man nicht so recht festlegen kann. Irgendwie lecker, interessant, aber man würde es auch nicht nochmal bestellen.

 

Pik Bube

Kannte ich aus der Horror-Anthologie oben und wollte gern mal etwas mehr von ihr lesen.

Erst fand ich diesen Roman komplett langweilig, ein etablierter Autor schreibt unter dem Pseudonym Pik Bube fiese Thriller und vergleicht sich ständig mit King. Gähn.

Dann wird er des Plagiats verklagt, das ist milde unterhaltsam, da die Klägerin etwas wirr wirkt und die Klage lächerlich.

Aber nach und nach zeigt sich, dass der Erzähler keineswegs ganz zuverlässig ist, zumindest kriege ich einiges mit, das ihm offenbar entgeht. Seine Familie hat Angst vor ihm, offenbar ist er nicht der harmlose Familienvater, für den er sich hält. Außerdem ist er massiv frauenfeindlich und schaut auf seine Frau herab, ebenfalls, ohne es zu merken. Die Privatsphäre seiner Familie respektiert er beim Schreiben auch keinesfalls, es wirkt zudem, als würde er sich unterschwellig wünschen, sie los zu sein, obwohl alle Kinder schon ausgezogen sind und seine Frau quasi alles für ihn tut und kaum ihr eigenes Leben verfolgt. Es überrascht dann kaum, dass der Ich-Erzähler irgendwann all die Verbrechen begeht, die er anfänglich für lächerlich hielt und noch viel mehr.

 

Land des Lachens

Mein erster Roman von ihm. Es war ein späterer in der Locus besprochen worden, aber Bezug auf ältere genommen, daher hatte ich mir überlegt, einen der früheren zu lesen, die längst übersetzt worden sind, um zu prüfen, ob der Autor mir zusagt. 

Fazit: Ja! Sehr!

Ich habe gleich zwei neuere Leseproben heruntergeladen.

 

Dunkle Gewässer

Das ist ja eigentlich gar nicht mein Ding. Es ist auch nicht wirklich ein Krimi. Aber es ist ein verdammt guter Coming-of-Age-Roman und nur sehr, sehr wenig vorhersehbar. Die Figuren sind allesamt so plastisch, dass ich mir sogar beim Hören über Stunden (Tage) hinweg Namen merken konnte, obwohl sie nur anfänglich mal kurz vorgekommen waren. So einprägsam sind die Figuren. Das erlebe ich viel zu selten!

Sue Ellen hat von zu Hause ab, aber hey, die Mutter nimmt sie mit! Ich war davon sehr überrascht. Anlass ist, dass sie ihre Freundin tot mit einer Nähmaschine an den Füßen im Fluss gefunden hat. zwei Freunde kommen auch mit, der schwule Terry und die Schwarze Jinx, die um ihr Leben alles sagen muss, was ihr durch den Kopf geht, selbst wenn sie sich dadurch in Lebensgefahr bring. Irre sympathisch und wahnsinnig spannend!

Alles ist ein wenig wilder Westen, da doch einige Menschen zu Tode kommen und irgendwie selten jemand dafür eingesperrt wird. Toller Roman! Bis zum Ende. 

 

Fern vom Licht des Himmels

Ein Weltraum-Krimi, der Lesende ziemlich rasch einfängt und nicht wieder vom Haken lässt. Ungewöhnlicherweise wird es auch besser und besser, bis zum perfekten Schluss. Empfehlung! Sehr cool gemacht.

 

Der Mann, der vom Himmel fiel

Auffallend häufig kommt mir alte SF sehr originell und gut durchdacht vor. Und in diesem Fall sogar stellenweise düster. Die Neu-Übersetzung kam mir gelungen vor (kenne weder das Original noch frühere Übersetzungen). War die ganze Zeit über am Ball, tolles Buch! Ich mochte Bryce, den Wissenschaftler, vor allem anfangs. Insgesamt fand ich die erste Hälfte besser, die zweite war stellenweise schon arg deprimierend. Bemerkenswert, so etwas schon vor sechzig Jahren geschrieben zu haben.

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