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Tachyon: Die Waffe von Brandon Q. Morris

Mein vierter Roman von Morris, den ich lese, und mit Abstand der Beste. So wie es ausschaut, werde ich Teil 2 Tachyon das Schiff wohl auch noch lesen und ggf. danach Tachyon der Planet.

 

Vorab: Die wichtigsten Fragen werden beantwortet, es gibt jene Szenen, auf die man wartet. Man könnte also auch nach Teil 1 aufhören zu lesen. Meine Neugier ist aber noch nicht ganz befriedigt und mit einigen Figuren bin ich nun befreundet, so dass mich ihr weiterer Fortgang interessiert.

 

Die Figurenentwicklung hat sich seit Die Störung (zwischendrin habe ich Die letzte Kosmonautin und Die Schmiede Gottes gelesen) stark verbessert. 

 

Ich habe Tachyon Die Waffe als Rezensionsexemplar erhalten.

Worum geht's?

In der Welt um das Jahr 2800 herum ist es möglich, instantan Botschaften auch über mehrere Lichtjahre hinweg zu verschicken: Mit der Tachyonen-Technologie, die man zurück in die Zeit schicken kann und somit genau timen. Natürlich nur von speziellen Tachyonen-Stationen aus.

"Deshalb zielt man auf ein drei Lichtjahre entferntes Objekt, indem man die Tachyonen drei Jahre in die Vergangenheit schickt. Das Ergebnis ist Gleichzeitigkeit."

Nun hat sich aber jemand in den Kopf gesetzt, diese Technologie auch für Waffen einzusetzen. So könnte eine Waffe sofort einschlagen und nicht erst Jahre später. Aber welche Auswirkungen hat das auf das Universum?

 

Vielleicht keine guten, beschließt die Physikerin Tailin, und flieht vor der Regierung des Neomars, die ihre Expertise nutzen möchte, um die Technologie zu finalisieren. Sie wird von Monte gefunden. Er und seine Schiffs-KI entscheiden sich dafür, Tailin zu helfen, und Monte begibt sich für sie sogar in außergewöhnliche Gefahren und Situationen.

 

Es gibt noch zwei andere Handlungsstränge, die mit Tailin verknüpft sind. Die Chronistin (und "Lauscherin") Tsai Yini arbeitet an Montes Erinnerungen und stellt fest, dass sie Tailin extrem ähnlich sieht. Könnte Tailin ihre leibliche Mutter sein?

Bei ihrer Recherche stößt sie auf Briefe von Mark Decker, Tailins Ehemann. Dessen Untersuchungen einer außerirdischen Spezies bilden den dritten Handlungsstrang.

 

Am Ende wird einiges davon zusammengeführt, biedet aber noch das Potenzial, die Geschichte weiterzuerzählen.

Die Figuren

Da hat Morris mächtig Schmackes reingesteckt. Mindestens an die Liebesbeziehung zwischen Tsai Yini und dem Archivar Mike, der auf dem asexuellen Spektrum ist, werde ich mich erinnern.

Vermutlich aber auch an Monte, dessen Bewusstsein (erstmals?) Tailin zuliebe in einen weiblichen Biobag steigt und beim Pinkeln dann einen komplett anderen Vakuumbehälter benutzen muss.

 

Auch die Szene, in der Monte vor Verfolgern flieht, die die Auslieferung Tailins verlangen und ihm und seiner KI klar wird, sie können nur entkommen, wenn sie  gegen Tailins ausdrücklichen Wunsch agieren, ihr Bewusstsein nicht zu transferieren. Wie sich Monte hier entscheidet, ist für mich als Leserin wichtig, um seine Moral einsortieren zu können. Ich spüre beim Lesen dieses Kapitels viel einerseits und andererseits und bin hochzufrieden mit dem Spannungsaufbau und der beginnenden Freundschaft zwischen ihm und Tailin.

 

Auch Mark Decker, der die ihm fremde Lebensform langsam verstehen und auch schätzen lernt, ist eine Figur, der ich gern folge.

Weltenbau und Stil

Stilistisch ist Morris wie immer sicher. Bei einigen Szenen blitzt noch der alte Morris durch. Als Monte in einer Situation beispielsweise damit rechnen muss, seine Tochter nie wiederzusehen, hätte ich doch entweder keine Gefühlsschilderungen dazu (ich fülle das dann schon selbst auf) oder glaubhaftere gelesen. Nicht immer funktioniert auf menschlicher Ebene für mich alles, doch schon sehr viel ist für mich glaubhaft und gelungen.

Was mich am meisten beeindruckt, sind der Spannungsaufbau und die Plottwists, von denen ich viele nicht habe kommen sehen, obwohl sie im Nachhinein nur logisch erschienen. Einfach toll! Ich habe einiges davon meinem Kind nacherzählt, das ebenfalls begeistert war (immer ein gutes Zeichen für Qualität im Plot).

 

Die Idee der Bewusstseinsübertragung in sogenannte Biobags ist sicher nicht neu, wurde aber an vielen Stellen sehr schön umgesetzt und die Implikationen für die Menschen sind gut beschrieben.

 

Schön auch die Details zum Weltenbau, hier einige Beispiele:

 

"Adad hatte eine größere Schwerkraft als die Erde. Dadurch waren die Regentropfen kleiner - und der Sturm hatte besonders leichtes Spiel mit ihnen."

 

Schön auch so etwas:

 

"Pedersen nickte, sagte aber nichts. Sein Wortvorrat für diesen Tag schien aufgebraucht zu sein. Yini nahm es ihm nicht übel. Sie kannte dieses Gefühl."

 

Auch Humor gibt es:

"Ein Legostein mit sieben Noppen" (ich muss mal nachschauen, ob ich Spezialsteine mit sieben Noppen finde, mit fünf gibt es inzwischen welche)

 

"Das musste die Katze sein, die Dubois nicht besaß. Sie schnurrte laut."

 

Mir gefällt auch die casual Queerness, nicht nur bei Mike, auch bei Roger, der einen Ehemann hat und seine Kinder selbst bekommen hat (SF eben).  An einer Stelle habe ich sogar Neopronomen gefunden.

Fazit

Das ist ein sehr schöner, spannender Roman mit vielen Stärken und nur wenig Schwächen. Lesenswert! Kann ich empfehlen.

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