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Der menschliche Makel von Philip Roth

Harte Fakten

Titel Der menschliche Makel 
Autor*in Philip Roth 
Erscheinungsjahr 2002 
Seitenzahl 400 

Inhalt

Mein viertes Buch von Roth - nach "Exit Ghost", "Amerikanisches Idyll" und "Empörung" - und mein dritter Roman mit seinem Alter Ego Nathan Zuckermann ("Empörung" hat nichts mit Zuckermann zu tun).

 

Ich habe mal die ersten fünf Minuten des Films gesehen und wusste daher ungefähr, worum es gehen würde. Nachdem ich die ersten Sätze gelesen hatte, war ich gleich drin und musste daher das andere Buch, das ich eigentlich gerade las, erst einmal zur Seite lesen und mir dieses hier gönnen. Als Belohnung dafür, dass ich so viele eher schwierige Bücher aus meinem SUB erfolgreich ausgelesen habe.

 

Wenn man sich ein Bild von Roths Fähigkeiten machen möchte, hier ein Auszug, in dem die Haare von Coleman Sinks Frau Iris beschrieben werden:

 

Ihr Haar war spektakulär, ein labyrinthischer, wuchernder Kranz aus Locken und Spiralen, so wirr wie ein Fadenknäuel und ausladend genug, um daraus eine Weihnachtsdekoration zu basteln. Alle Unruhe ihrer Kindheit schien sich in den Windungen dieses undurchdringlichen Haardickichts niedergeschlagen zu haben. Ihr unbezähmbares Haar. Man hätte Töpfe damit putzen können, ohne dadurch seine Beschaffenheit zu verändern - als wäre es etwas aus den tintendunklen Tiefen des Meeres, eine Art drahtiger, riffbildender Organismus, eine lebendige, üppig sprießende, onyxfarbende Hybride aus Staune und Koralle mit möglicherweise pharmazeutischen Eigenschaften.

 

Wem das möglicherweise zu dick ist, dem sei gesagt: Die Beschaffenheit ihrer Haare ist tatsächlich für die Geschichte bedeutsam. Coleman Silk ist ein sehr heller Schwarzer ist, der sich als junger Erwachsender  entscheidet, fortan als Weißer zu leben, aber durchaus Kinder plant. Falls diese krauses Haar haben, könnten sie dies auch von seiner Frau haben. Er lebt in ständiger Angst, dass bei einem seiner Kinder leicht zu sehen sein würde, dass diese nicht weiß sind.

 

In ihrer Bildgewalt und Deutlichkeit ist diese Beschreibung einfach toll. Eindeutig eine der Höhepunkte des Buchs - eines Buchs mit vielen Höhepunkten und aber auch einigen Szenen oder mehreren Szenen und/oder Reflektionen, bei denen ich mich frage, warum ich das nun unbedingt lesen soll.

 

Und wer sich fragt, was "der menschliche Makel" bedeuten soll, hier ein weiterer Auszug. Hier sprechen zwei Figuren über Tiere:

 

"Das kommt davon, wenn man handzahm geworden ist", sagte Faunia. "Das kommt davon, wenn man die ganze Zeit mit Leuten wie uns verbringt. Das ist der menschliche Makel", sagte sie, weder angewidert noch verächtlich, noch verurteilend. Nicht einmal traurig. So ist es eben - das ist es, was Faunia der Frau, die die Schlange fütterte, auf ihre eigentümlich lakonische Weise sagen wollte: Die Berührung durch uns Menschen hinterläßt einen Makel, ein Zeichen, einen Abdruck. Unreinheit, Grausamkeit, Mißbrauch, Irrtum, Ausscheidung, Samen - der Makel ist untrennbar mit dem Dasein verbunden. Es hat nichts mit Ungehorsam zu tun. Er hat nichts mit Gnade oder Rettung oder Erlösung zu tun. Er ist in jedem. Eingeboren. Verwurzelt. Bestimmend. Der Makel, der schon da ist, bevor irgendeine Spur davon zu erkennen ist. Es ist nichts zu sehen, und doch ist er da. Der Makel, der so wesenseigen ist, daß er kein Zeichen braucht. Der Makel, der dem Ungehorsam vorausgeht, der den Ungehorsam einschließt und jedes Erklären und Begreifen übersteigt.

 

Ich traue mir nicht zu, eine normale Rezension zu diesem Roman abzugeben, da ich den erst mal verdauen muss und das womöglich Jahre dauert und ein erneutes Lesen erfordert. Er ist für mich weniger zugänglich als seine anderen Werke, die ich bisher gelesen habe. Zuckerman steht hier sehr im Hintergrund. Coleman ist eine interessante Figur, ebenso der Vietnam-Veteran Lester, Faunias Exmann. 

 

Bei der französischen Dozentin bin ich ebenso ausgestiegen wie bei Faunia, Colemans späterer Affäre. Die Frauenfiguren bleiben hier für mich unscharf. Ganz anders in Roths anderen Werken, in denen die Frauen für mich klare Gesichter haben.

 

Die Jetzt-Zeit der Geschichte spielt während der Clinton-Lewinski-Affäre an die sich die Älteren von uns noch gut erinnern. Wenn man sich andere Rezensionen anschaut, dann polarisiert dieser Roman ja doch ziemlich. Kann ich gut verstehen. Ich war anfänglich total begeistert, habe dann aber auch so einige Szenen gefunden und Aussagen, bei denen ich nicht sicher bin, ob ich das Buch wirklich empfehlen möchte. Gegen Ende wurde es aber doch noch wieder recht spannend.

 

Wer Roth noch nicht kennt, dem würde ich dieses Buch nicht als erstes nahelegen. Besser Exit Ghost oder Amerikanisches Idyll. Oder womöglich ein ganz anderes Buch, das ich bisher noch nicht kenne. Ich selber würde gern mal eines lesen, in dem sein Alter Ego Zuckerman noch gesund und potent ist - und noch nicht inkontinent. Vielleicht Zuckerman mit Sex in seinem Alltag. Das würde mir gefallen.

 

Gemeinsam mit "Amerikanisches Idyll" und "Mein Mann, der Kommunist" gehört dieses Werk zu Roths amerikanischer Trilogie und bildet deren Abschluss.

 

Verfilmung

Ich sehe, der ist extrem gut besetzt. Bisher wusste ich nur von Hopkins und Sinise, aber es gibt auch Kidman und den Typen von Prison Break, sowie Ed Harris. Lohnt sich vielleicht doch mal.

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