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Urban Fantasy: going intersectional (Anthologie)

Inhalt

Im Vorwort melden sich die Herausgeber:innen zu Wort. Patricia und Askin-Hayat haben auch beide je eine Geschichte beigetragen. Askin-Hayat kenne ich bereits von den Queer*Welten (ebenfalls im Ach je Verlag erschienen). 

 

Für diese Anthologie wurden Geschichten des Genres Fantasy gesucht, mit Figuren, die in mehr als einer Hinsicht von einer Diskriminierungsform betroffen ist. Im Englischen hat sich der Begriff "intersectional" da durchgesetzt.  

 

Bei der Masse an Geschichten wären 21 Kurz-Rezensionen nun zu viel für mich. Da ich mich nicht auf Top-3 beschränken kann, habe ich unten meine Top-4 ausführlicher rezensiert. Doch auch die nicht explizit erwähnten Geschichten lohnen sich. An Diversität ist die Anthologie schwer zu überbieten. Schizophrenie, fehlende Körperteile, People of Color, viele Bisexuelle und Homosexuelle, Transmenschen, Frauen in den Wechseljahren. Außerdem eine Diversität, wie sie nur die Phantastik bieten kann: wie Werwölfe, (Halb-)Vampire, Monster, Trolle und Meereswesen. Gut gefallen haben mir auch die vielen popkulturellen Referenzen, sei es auf Twilight, Batman oder die unendliche Geschichte.

Dazu kommt, dass ich von einigen, denen ich schon lange auf Twitter folge, auch endlich mal Geschichten gelesen habe wie von Jade S Kye und Nora Bendzko.

 

Eine andere Rezension gibt es z. B. hier und bei Twitter sind noch einige andere verlinkt.

 

Vegan für fortgeschrittene Tote von Annie Waye

Link zur Autorinnen-Webseite

Der Titel ist erst einmal schon mal super. Ron, der Ich-Erzähler, ist schwul. Er ist außerdem Veganer. Nun würde ich zwar gern darüber streiten, dass ein Mensch, der sich zu einer veganen Lebensweise entschieden hat, eine Wahl hat, wohingegen niemand von uns eine Wahl hat, was unsere sexuelle Orientierung betrifft. Unbestreitbar ist aber, dass Ron sich wegen seines Veganismus durchaus diskriminiert fühlt. 

Ron steht auf seinen Mitbewohner, von dem er aber nicht komplett sicher ist, ob dieser schwul ist. Außerdem hatte er ein sehr bissiges One-Night-Stand. Diese Bisse haben eindeutig Nachwirkungen.

Was tut man also als überzeugter Veganer, wenn man plötzlich Lust auf Gehirne bekommt? 

Sehr witzige Story mit Pointe.

 

Die Pirouette von Ilka Mella

Francois ist ein Troll. Ein Troll mit einer Hautkrankheit, die an Neurodermitis erinnert, der außerdem gern Ballett tanzen würde und sich gern Mädchenkleidung, speziell Ballettkleidung, anzieht. Heimlich beobachtet er die Stunden in einer Ballettschule und bekommt mit, wie die Lehrerin ihre eigene Tochter während der Stunden immer wieder beschimpft, weil diese nicht so aussieht oder sich so bewegt, wie die Mutter sich das vorstellt.

Eine sehr anrührende Geschichte von starken Leidenschaften und einer ungewöhnlichen Freundschaft, von Akzeptanz und davon, dass Haut auch wieder heilen kann, wenn der Mensch (oder der Troll) glücklich ist. 

 

Majas Queste von Judith Vogt

Von Judith kannte ich bisher nur eine Kurzgeschichte (in "Wie künstlich ist Intelligenz"), die eher in Richtung nonbinäre Figur und sehr technische Science Fiction geht, und viele Essays bei Queer*Welten oder Tor Online.

Diese Kurzgeschichte hat mir ausnehmend gut gefallen. Erst glaubte ich, mich im Corona-Alltag zu bewegen, als ich den beiden Schwestern, der Ich-Erzählerin Sami und der dreizehnjährigen Maja zum Supermarkt folgte. Dann stelle ich fest, dass die beschriebene Welt eine total andere ist. Der Nebel, an einigen Stelle nur leicht, an anderen gefährlich dunkelgrau, ist überall. Und er breitet sich aus. So kann der Gang zum Supermarkt eine gefährliche Herausforderung werden, denn wer in den dunkelgrauen Nebel gerät, dem geschehen Dinge. Man kann wieder heraustreten, ist dann aber möglicherweise um Jahre gealtert. Durch diese Schilderungen klebe ich regelrecht an den Seiten - trotz der Kürze ist diese Geschichte irre spannend.

Aber mit ihrer Schwester Maja, die an dem Down-Syndrom leidet, hat das erzählende Ich eine Figur an der Seite, die ungewöhnlich begabt darin ist, den richtigen Weg zu finden und am Ende noch eine ganz spezielle Queste erhält.

Ich kann genau sagen, warum mir diese Story in der Anthologie am besten gefällt. Es kommt mir vor, als würde ich Sami und Maja nicht nur diese paar Seiten lang begleiten, sondern über eine lange Zeit hinweg. Die gemeinsame Geschichte der beiden kommt in wenigen, sehr gut gewählten Gedanken der Ich-Erzählerin so plastisch rüber, dass ich sofort das Gefühl habe, die beiden zu kennen. Obwohl die Kurzgeschichte nur wenig Platz bietet und außerdem Weltenbau betrieben werden muss, gelingt mir so die Identifikation mit den beiden. Maja bewegt sich so sicher und mutig durch diese krasse Welt, da kann ich nur Bewunderung empfinden. Für die kurze Zeit der Lektüre waren die beiden meine Freundinnen.

 

Bei der Gelegenheit muss ich zugeben, dass ich kaum jemals eine Figur mit Down-Syndrom in Geschichten gefunden habe. Duddits von Stephen King fällt mir ein und ein gelungener Tatort, den ich mal vor Jahren geschaut habe. Judith wies mich noch darauf hin, dass es in Ace of Space eine Nebenfigur mit Down-Syndrom gibt. Das war es dann aber auch. Literaturhinweise, anybody?

 

Kein Allheilmittel von Amalia Zeichnerin

Von Amalia kannte ich bisher nur ein Sachbuch, das ist also das erste Stück Prosa, das ich von ihr kennenlerne. Die Ich-Erzählerin Jeanie ist sowohl bisexuell als auch bipolar. Ihre manische Depression stellt für sie im Alltag und auch in Liebesbeziehungen ein großes Problem dar. Zu Beginn der Kurzgeschichte hat sie eine manische Phase, braucht wenig Schlaf und hat viel Energie. Während dieser Zeit lernt sie die Vampirin Isobel kennen und lieben. Schwierig wird es erst, als Jeanie in die depressive Phase wechselt. Würde eine Verwandlung in eine Vampirin da nicht helfen? Doch das ist streng verboten, würden sie erwischt, Isobel würde die Todesstrafe erwarten. Gibt es da nicht doch eine bessere Möglichkeit?

Sehr lebensbejahende Geschichte. Besonders hat mir die "Ehe für alle" seit 2017 gefallen (alle, auch für übernatürliche Wesen, auch wenn sie sich ungern so nennen, da sie sich als natürlich empfinden) und dass die Vampire so schön viel Zeit zum Lesen haben, da sie so alt werden. Ach ja, Vampirin müsste man sein... 

Harte Fakten

Titel Urban Fantasy: going intersectional
Herausgeber:innen Patricia Eckermann, Askin-Hayat Dogan
Autor*innen Nora Bendzko, Jenny Cazzola, Askin-Hayat Dogan, Luna Day, Patricia Eckermann, David Grade, Stefanie Huber, Antonia Knoll, Oliver Kontny, Jade S. Kye, Marcel Lewandowsky, Victoria Linnea, Robin Nayeli, Isabella von Neissenau, Lena Richter, Ronja Schrimpf, Schwartz, James A. Sullivan, Teresa Teske, Judith Vogt, Annie Waye und Amalia Zeichnerin. 
Erscheinungsjahr 2021 
Anzahl Geschichten 21
Seitenzahl 412
Anzahl Geschichten 21 

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