· 

Die Straße nach Roswell von Connie Willis

Der Roman hat alle typischen Zutaten eines guten Willis-Romans und ist absolut eine Srewball-Komödie mit ausreichend vielen Plottwists im SF-Gewand, und sammelt einige sehr kuriose und doch glaubwürdige Nebenfiguren ein ... von denen die meisten nicht das sind, was sie zu sein scheinen (einige aber schon).

Plus, bis hin zum letzten Satz gibt es noch Pointen-Kapazität, ähnlich wie beim Roman Crosstalk, da lohnt sich das Lesen bis zum letzten Satzzeichen.

 

Trotzdem fehlt mir irgendwie das gewisse Etwas, das letzte Quäntchen Tiefe. Lesenswert: ja, unbedingt! Preisverdächtig - nein. Aber muss es denn immer auf dem Niveau vom Doomsday Book oder meinem All-Time-Favorite Blackout und All Clear sein?

 

Nein, muss es nicht. Außerdem besteht immer noch die Möglichkeit, dass subtile Tiefe beim Lesen an mir vorbei gegangen ist. 

Inhalt und Meinung

Francie soll nach Roswell fahren, um als Trauzeugin für die Hochzeit ihrer Freundin Serena zu fungieren. Doch diese hat einen fürchterlichen Männergeschmack und heiratet einen Ufo-Freak, daher: Roswell. Während der Ufo-Convention!

 

Francie fährt eigentlich, um Serena die Hochzeit auszureden. Aber sie kommt gar nicht groß dazu, ihre eigene Agenda zu verfolgen, da sie zu sehr von den Ereignissen überrollt wird. Als sie für Serena eine Lichterkette aus deren Auto holen soll, findet sie stattdessen etwas vor, das wie ein Steppenläufer mit fünfzig Tentakeln aussieht und das sie sofort als Alien identifiziert. Und so wird ausgerechnet die bodenständige Francie in Roswell von einem Alien entführt.

 

Keine Frage, der Roman macht eine Menge Spaß. Das Alien (später Indy genannt, weil es mit seinen Tentakeln so schnell ist wie Indiana Jones mit seiner Peitsche) zwingt Frankie, in bestimmte Richtungen zu fahren, wobei lange unklar bleibt, wo es eigentlich hin will. Auf dem Weg sammeln die beiden nach und nach immer mehr skurrile Figuren ein, die teilweise selbst eine interessante Geschichte haben, die sich oft erst später entblättert, nicht selten überraschend. Das ist auch schon die größte Stärke des Romans: die Nebenfiguren.

Wie immer bei Willis haben eigentlich alle ihre eigene Agenda, ihre Eigenarten und sogar ihre eigene Art, zu sprechen. 

 

Mein persönlicher Liebling ist da die alte Dame, Eula Mae, von der sich herausstellt, dass sie ein aufregendes, lukratives und nicht ganz legales Nebengewerbe führt. 

 

In der zweiten Hälfte wird es etwas dünner, auch wenn durchaus noch ein paar coole Twists und eine schöne Schlusspointe folgen. 

Willis macht eigentlich selten Liebesgeschichten und wenn, wie in Bellwether und (deutlich cooler:) in Crossroads, dann deutlich subtiler. Die Story zwischen Wade und Francie war mir dann zu eindeutig und auch nicht wirklich überzeugend. Das hätte ich nicht unbedingt gebraucht, auch wenn die Szenen in Las Vegas Spaß gemacht haben und es offenbar nicht ganz so einfach ist, spontan in Vegas zu heiraten wie ich als Europäerin vielleicht gedacht habe.

 

Für Hardcore-SF-Fans gibt es am Ende noch schönen politischen Weltenbau bzgl. der Alien-Gemeinschaft und das hat auch mir Freude bereitet.

 

Die Rezensionen im anglo-amerikanischen Bereich, die ich gelesen habe (sicher ein halbes dutzend) sind alle durchweg positiv, was mich nun etwas überrascht. Fehlt dem Roman nicht das gewisse Etwas? Eine klarere Prämisse? Etwas mehr Tiefe und Subtilität? 

Hat er nicht ein bisschen zu viel "Hoffentlich mag er mich auch" und übertreibt er nicht ein wenig, was die Popkultur des letzten Jahrhunderts betrifft?

 

Es ist durchaus möglich, Spaß und Tiefe zu verbinden, siehe Scalzi, und gerade Willis hat sowas sonst auch gut drauf. 

 

Ich gebe dem den Benefit of a doubt, möglicherweise ist ja einiges an mir vorbei gegangen. Aber so wie ich den Roman verstanden habe, hat er zwar eine gute Richtung, was das Akzeptieren fremder Wesen mit uns zunächst unverständlichen Zielen betrifft und das Kennenlernen und Akzeptieren fremder Kulturen und Gesetze, auch, und das könnte eine Prämisse sein, Menschen (und andere Wesen) nicht rein nach ihrem Äußeren zu beurteilen.

 

Lesenswert, ja. Ein Highlight, nein. Vier von Fünf Sternen, so gesagt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0