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Unerbittliche Geschichten. Kurzgeschichten von Richard Laymon

Harte Fakten

Titel Unerbittliche Geschichten
Autor*in Richard Laymon
Erscheinungsjahr 2018 (posthum, Autor seit 2001 tot)
Seitenzahl 100

Inhalt: Vampire. Untote. Sandmonster. Viel Sex.

Nicht alle Kurzgeschichten haben eine phantastische Komponente, einige halten sich auch durchaus an die Naturgesetze. Bei anderen ist nicht ganz klar, ob nicht doch etwas phantastisches dahintersteckt. Wieder andere haben einen glasklaren Monster-Anteil, der nicht von dieser Welt ist.

Man weiß also nie was auf einen zukommt.

Gestorben wird oft, aber bei weitem nicht immer und nicht immer stirbt der oder die, von der ich das vorher angenommen hatte.

Es gibt also massenhaft überraschende Wendungen, Andeutungen und auch mal einen "Hä?"-Effekt am Ende.

Reflektion: Große Literatur ist das nicht

Das direkt nach "das tote Brügge" zu lesen ist vielleicht nicht die beste Idee.

 

Laymon hat ganz klar einen Fokus auf den Plot und die Idee, nicht auf den Stil. Das ist alles nicht sehr literarisch wertvoll. Immerhin gibt es extrem viele Dialoge.

 

Die Kurzgeschichten leben von den größtenteils sehr guten Ideen. Es ist auch szenisch und lebendig, aber sogar mir fast zu dünn, was die Sprache betrifft.

 

Es gibt einen Kritikpunkt, der aber noch wichtiger ist. Die Geschichten sind nicht wirklich gruselig. Sie sind unterhaltsam, ja, sie sind auch oft spannend, aber gruselig sind sie nicht. Warum nicht? Es wird wenig beschrieben, das ist wahr, aber ich glaube, der Hauptmangel liegt an den Charakteren. Ich bin mit denen nicht gut genug befreundet, bevor der Grusel losgeht. Das wäre ja Stephen Kings große Stärke. Das ist auch keine Weltliteratur (aber, um das mal klar zu sagen, deutlich literarischer und bildhafter als Laymon), aber dadurch, dass die Charaktere so lebendig und sympathisch und echt sind, gruseln wir uns mit ihnen, wenn es erstmal richtig losgeht. Das liegt hier sicher nicht am Kurzgeschichten-Format. Einige der Kurzgeschichten sind durchaus lang genug, außerdem gelingt King das normalerweise schon auf Seite 1. Bei Laymon bleiben die Charaktere eher im Status "Leute, die man gerade eben im Zug kennengelernt hat und nach dem Aussteigen vergisst".

 

Ich glaube nicht, dass ich einen Roman von ihm lesen möchte, wenn es da auch so ist. Kurzgeschichten hingegen gehen echt gut, dank der netten Ideen. Mein eigentlicher Grund war sowieso, dass ich selber eine Horrorgeschichte schreiben will und Inspiration brauchte. Dafür jedenfalls ist das Buch super geeignet.

 

Und ja, "Phil, der Vampir" ist eine originelle Kurzgeschichte zum Thema Vampir, genau wie in der Rezension vom Quarber Merkur angekündigt.

 

Was ich aber zugeben muss: Laymon kann ganz ok über Sex schreiben. Es ist ziemlich plakativ und nicht subtil, ja, aber es ist auch nicht peinlich (was es ja sonst sehr häufig ist). Er kriegt es sogar ganz passabel hin, Sex aus Sicht einer weiblichen Protagonistin zu schildern. Das kann man sich tatsächlich gefallen lassen.

 

Auch die Gewalt ist nicht so krass dargestellt (zumindest nicht in der deutschen Übersetzung), wie ich aufgrund der Rezension in der Quarber Merkur oder des Wikipedia-Artikels geglaubt hätte. Man kann das getrost vor dem Schlafengehen lesen.

Trivia: Vorbilder und früher Tod

Laymons Vorbilder waren die ganz großen: Twain, Hemingway und Poe. Er begann schon als Schüler zu schreiben. Seine Eltern nahmen an, dass er an seinen Hausaufgaben säße, in Wahrheit schrieb er aber Geschichten.

 

Ganz ähnlich wie Stephen King war er zunächst als Lehrer, später arbeitete allerdings in einer Bibliothek.

 

Pech für Laymon: Er hatte aufgrund des Erfolgs des ersten Romans seine Arbeit in der Bibliothek schon aufgegeben, um sich ganz auf die Schriftstellerei zu verlegen, da verkaufte sich ein zweiter Roman sehr schlecht. Er musste wieder anderweitig arbeiten.

 

In den USA hatte sich sein Erfolg auch erledigt - seine Werke war denen eh zu explizit was Sex und Gewalt betraf - aber in Europa war er weiterhin populär.

 

In zwanzig Jahren als Schriftsteller konnte er immerhin mehr als dreißig Romane und über sechzig Kurzgeschichen produzieren.

 

2001 starb er an einem Herzanfalls. Die größten Erfolge feiert er nun posthum, sowohl in Deutschland und dem Rest von Europa, als auch in den USA. Tragisch, aber passend zum Thema seines Werks.

Nachtrag drei Wochen später: Die letzte Story bleibt im Kopf

Da ich seit ich diesen Blog habe so herrlich viel zu lesen habe, hatte ich die letzte Kurzgeschichte des Bandes noch nicht gelesen. Die habe ich mir aufgespart und drei Wochen später gelesen.

 

Da muss ich doch sagen, diese kleine sehr gruselige Story lässt selbst Stephen Kings "Das Spiel" alt aussehen. Ich stehe auf King, aber beim Spiel hätte er es vielleicht besser auch bei einer Kurzgeschichte belassen. Während aber beim Spiel die Heldin "nur" ans Bett gefesselt ist, während ihr Mann stirbt, ist bei "Die Badewanne" die Heldin unter ihrem 130 kg schweren Liebhaber in einer Badewanne und er befindet sich noch in ihr, während er stirbt. Dies bleibt danach auch so, ob aus Platzmangel oder ob der Autor das Thema Errektionen nach dem Tod genau recherchiert hat oder nicht (ich habe dazu irgendwie nun keine Lust) weiß ich nicht. Da hockt sie nun und wartet, dass ihr Ehemann von seiner Dienstreise nach Hause zurückkehrt. Als dieser zurückkehrt, macht er aber gleich wieder kehrt. Für eine Woche. Ohne Hilfe zu holen. So wütend könnte ich wohl kaum werden, dass ich jemanden in so einer Situation lassen würde, aber nun gut. Was dann geschehen ist, als er nach einer Woche wiederkehrt, ist dann das eigentlich Überraschende und ja, ich gebe zu: Sprachlich ist Laymon sicher niemand, an den man sich lange erinnert, aber einige Schlußpointen und Ideen haben es doch in sich.

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