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Super-Pulp 17: Fatality von Marco Rauch

Inhalt

Der Roman spielt in einer düsteren Welt und man muss einiges schlucken, wenn auch vieles davon nur "im Off" (es wird beispielsweise keine Vergewaltigung szenisch geschildert). 

 

Ich bin trotzdem begeistert und auch beeindruckt, weil dem Autor etwas gelingt, was aus meiner Sicht in Film und Roman selten gelingt: Morden ist eben nicht lapidar. Es macht etwas mit den Menschen. 

 

Der Stil ist überhaupt nicht "Pulp", wenn auch nicht frei von Sprachklischees. Es wirkt wie eine bewusste Entscheidung, da es zum Ich-Erzähler passt, der auch ziemlich rotzig drauf ist. Die Phrasen wurden mir im zweiten Drittel anfänglich etwas zu zahlreich, um dann wieder auf ein passendes Niveau zurückzugehen.

 

Der Ich-Erzähler ist ein ehemaliger Killer. Man könnte ihn aus dem Vorgänger Hard-Boiled (hier eine Rezension dazu) kennen, nur kenne ich den Roman nicht und dieser hier ist auch alleinstehend verständlich.

 

In der ersten Szene erfahre ich, dass der Ich-Erzähler mit Leichen handelt. Das ist in der SF erst einmal normal, ich denke da in die Bio-Recycler bei Space Operas und an die Wassergewinnung aus Leichen bei Cixin Liu, doch hier geht es eher in Richtung Solyent Green; Er verkauft die Körper an Restaurants. 

So ist man gleich gewarnt (wobei, auch das Cover und der Klappentext stellen das sofort klar): ich bin hier nicht in meiner Komfortzone. Ich habe auch durchaus nach 44 Seiten mal das Buch beiseite gelegt und durchgeatmet. Hier kommen viele Menschen zu Schaden und zu Tode, und zwar nicht nur skrupellose Kriminelle. 

 

Wer SF-Technik sucht, ist hier falsch. Weltenbau ist eher subtil, es geht um den Plot und die Figuren. Es ist eine dystopische Welt, aber es wird nicht viel erklärt und ich genieße das, weil sich SF sonst oft zu sehr am großem Drumherum aufhält. Hier bin ich nah am Geschehen und den Gedanken der Figuren und kann mich auf diese konzentrieren. Trotz der Kürze des Romans lerne ich diese auch sehr gut kennen. 

 

Der Ich-Erzähler war mal ein krasser Killer (siehe Teil 1), diese Person ist er laut eigener Aussage aber nicht mehr. Ein Mensch aus seiner Vergangenheit sucht ihn auf, Jen, die Tochter seines brutal ermordeten Partners/sehr guten Freund Mike. Sie, bzw. ihr Bruder Samu, habe die drei Auftragskiller ihres Vaters ausfindig gemacht. Die Person, die damals hinter dem Mord steckte, die Auftraggeberin, hatten sie in Teil 1 schon ermordet. Nun möchte Jen auch noch die drei Killer töten. Dafür müssen sie in die abgeriegelte Stadt und dabei soll der Ich-Erzähler helfen. 

 

An sich eine sehr einfache Geschichte. Ja, es gibt noch etwas mehr als nur "Wir gehen da rein, töten drei Menschen und gehen wieder raus". Rauch erfindet das Genre nicht neu, sicher nicht, er füllt es beeindruckend befriedigend aus.

 

Die Geschichte ist so gut aushaltbar, weil er sowohl den Figuren als auch dem Plot sehr viel Respekt entgegen bringt. Rauch nimmt seine Geschichte und die Figuren ernst und somit auch mich als Leserin. Die laufen nicht einfach umher und töten ein paar Leute. Es fehlt an der Beiläufigkeit, die mich in anderen Geschichten oft nervt. Vor allem in Hollywood werden Leibwächter einfach so erschossen und ich frage mich jedes Mal, ob das denn immer nötig ist und warum da einfach so drüber hinweg gegangen wird. Das ist hier eben anders. Die Welt mag düster sein, aber das Herz des Ich-Erzählers ist weit weniger finster als er selbst vielleicht glaubt. Er stellt gut dar, was dazugehört, was es mit Menschen macht, die töten, die kämpfen, die jemanden verletzen, die selbst verletzt wurden oder verletzt sind. 

 

Diese dystopische Welt nimmt es hin, dass Menschen sterben, ja, aber die Figuren eben nicht, vor allem das erzählende Ich differenziert sehr viel. Es ist gelungen erzählt, ohne Moralkeule und aber auch eben ohne diese Nachlässigkeit, die man sonst bei solchen Plots oft findet. 

 

Ein bisschen was zum Stil: Rauch schreibt oft so, dass es so oder sehr ähnlich schon mal formuliert worden ist, das betrifft Beschreibungen genauso wie Vergleiche und Metaphern, konkretes Beispiel:

 

"Der Motor erwacht keuchend und hustend zum Leben"

 

Insgesamt erinnert mich das stilistisch an Noir-Romane. Am Ende gibt es tatsächlich trotz allem Hoffnung. Ein gelungener Roman, der für mich alles hat. 

 

 

Mit den Kampfszenen und Schießereien hat er sich viel Mühe gegeben. Auch sprachlich, es bewegt sich nur eben für meinen Geschmack manchmal zu eng an abgegriffenen Formulierungen, aber da steckt viel Sorgfalt drin, das merke ich an Kleinigkeiten, bei denen er geschickt Wortwiederholungen vermeidet ("..., welche die" statt "..., die die"  z. B.).

Romanfiguren

Mit Klischees wird gespielt, aber eben auch gebrochen, erweitert oder angenehm befriedigend ausgeleuchtet. Außerdem lese ich so selten in diesem Subgenre, dass ich schwerlich mit Altbekanntem gelangweilt werden kann.

 

Aber ich sehe auch, dass Rauch seine Figuren so gut ausleuchtet und plastisch macht, dass sie eben nicht die typische Figur bleiben. Der scheinbar unmoralische Typ, der über Leichen geht (oder sie zwecks Verzehr verscherbelt) mit der dunklen Vergangenheit wird in einigen Szenen und Gedanken so nah herangezoomt, dass er eben kein Klischee bleibt. Gleiches gilt für Jen, die Bad-Ass-Kampffrau mit der miesen Erfahrung in der Vergangenheit. Ja, solche Figuren gibt es oft, aber ich lerne sie selten so gut kennen. 

 

Der Böse hätte wohl noch einige Farben gebrauchen können, aber er hatte zu wenig Bühnenzeit (und zu wenig Zoom, da die Perspektive einen Wechsel nicht erlaubte), daher muss ich hier die Leerstellen selbst füllen und damit leben, dass ich ihn eben deutlich weniger gut kennenlerne.

Buchaussage

 

Die A-Story ist sehr klar und actionlastig, die B-Story ist möglicherweise so subtil, dass sie sich für mich anders darstellt als für andere Lesende.

Für mich ging die Prämisse in folgende Richtung:

Spielt es eine Rolle, ob man einen guten Grund hat, einen Menschen zu töten? Und wenn ja, welche?

Der Autor überlässt vieles von dem als Leerstelle mir als Leserin, das erzählende Ich mag eine Einstellung dazu haben, sagt diese zwar nicht klar und macht auch deutlich, dass es andere Auffassungen akzeptiert und respektiert. 

Ein wenig schwingt auch mit, was Familie ausmacht (nicht unbedingt Verwandtschaft) und, ganz leise, was das Leben lebenswert macht, selbst in einer Welt wie der hier gezeigten.

 

Wie bin ich zu dem Buch gekommen?

Ich habe bereits 18 SF-Romane aus 2022 gelesen, das ist einer davon. Ich denke, fünf oder sechs schaffe ich noch bis Mitte Januar.

Rezeption

Offiziell erschien es ja erst heute, also ist noch nichts los. Ich hatte ein Vorab-Exemplar.

Über die Autor:in

Von dem Autor kannte ich bisher nur eine Kurzgeschichte (Der Erleger aus Am Anfang war das Bild) und das ist mein erster Roman von ihm. Hier seine Webseite

Harte Fakten

Titel Fatality ( Band 17, Mondo Fiction) 
geschrieben von Marco Rauch 
Verlag Blitz Verlag (Roman hier erhältlich
Rezensionsexemplar nein, aber Frei-Exemplar DSFP 
Erscheinungsjahr 2022 
Seitenzahl 200 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1587782610490720258 
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