· 

John Wiswell: Schreiben gegen Ableismus

Interview in der Locus #752

John Wiswells Motivation zum Schreiben könnte besser kaum sein. Als Kind hat Nächte erlebt, die so schmerzhaft und schwierig waren, dass er unsicher war, ob er es bis zum Morgen schafft. Gute Bücher haben ihn durch diese Zeit gebracht.  Heute sagt er: "That remains the big driver: Can I write something that gets somebody through one more hour of a bad night?"

 

Plus, er ist kompetent, über Behinderungen, chronischen Schmerz und gesundheitliche Probleme zu schreiben, da er diese gut von innen kennt. Seit 2010 veröffentlicht er aktiv im phantastischen Bereich, laut Recherche gibt es über vierzig.

 

Er lässt in seiner Prosa ziemlich die Hosen runter, vermutlich ist es unter anderem das, was sie aus meiner Sicht so gut macht: "I expose my vulnerability or things that I'm anxious about, and let the text wrestle with it."

 

Außerdem weiß er sehr genau, wie man den Lesenden Figuren näher bringt. "When you've seen somebody really celebrate how much they love their child, then seen them going through shit at work, the latter hits a lot harder. The joy meand more because you see the struggle they go through to create the joy. But the heaviness also means more, because you see the toll it takes."

 

Ein starker Satz gegen Ableismus: "I'm disabled, and I've been in constan pain for 30 years, but my life is a life worth living."

Eine scharfe Beobachtung in unserer Welt: "When, over the course of a day, tremor come up in my right hand, my instinct is: 'Hide that hand.' That's just learned from ableist society."

 

Besonders gefällt mir die Art von Arbeit, die er in seine Prosa reingesteckt hat. Er macht das nicht nur an seinem eigenen Werdegang fest, sondern nimmt auch Mark Twain als Beispiel. Twains Dialoge werden heute noch sehr gelobt. 

"Meanwhile Twain would say 'Do you know how many pages I've crumpled up and thrown away trying to get a four-sentence dialogue exchange right? It is way harder than it looks."

 

Wiswell hingegen schreibt, "It took a lot of novels to get the experience level to write that I want to be writing now." Übrigens - unveröffentlichte Romane! Keine, die jemand lesen musste. Denn sein erster Roman Someone You Can Build a Nest In kommt erst im April 2024.

 

Ich bin dankbar für die Mühe, die hier in einem literarischen Werdegang steckt und bin gespannt auf zukünftige Projekte.

Kurzprosa von John Wiswell

Ich kannte bereits Bad Doors, da ich die Story im Uncanny-Magazine (Nr. 50) gelesen habe. Die Story vereint eine fiese Fantasy-Idee (auftauchende Türen, die nichts Gutes im Sinn haben), einen sehr entschlossenen Erzähler Kosmo (er flieht umgehend, kein Ich-untersuche-und-beobachte-das-mal-Verhalten, was im Horror ja so üblich ist), die Corona-Zeit und einen ambivalenten Onkel, Uncle Dahl. Der Onkel hat mir am besten gefallen, weil wir während der Pandemie vielleicht alle einen geliebten Menschen hatten, sei es ein guter Freund oder Verwandter, der (oder die) auf die Schwurbler-Seite gewechselt ist. 

Meine Lieblingspassage:

"He'd gotten in a dozen Facebook posts every day. Actual colleagues had unfriended Kosmo for being connected to Uncle Dahl. He hated thinking he'd have to sever ties with one of the last people who remembered how his mother's voice has sounded."

Die Story gibt es mittlerweile in voller Länge im Netz.

Das ist eine von denen, die mir sehr gut im Gedächtnis geblieben ist, was beileibe nicht für das meiste gilt, das ich lese.

 

Nach dem Artikel habe ich den Hugo-Gewinner That Story isn't the Story aus dem Uncanny Magazine 44 gelesen, das ein wenig über meinen Kopf ging. Allerdings habe ich die Analogie der blutenden und nicht verheilenden Wunden durch Mr. Bird und chronischen Schmerzen gesehen und denke, dass sich Krankheiten und Behinderungen sehr gut eignen, sie mittels phantastischer Literatur zu entfremden oder neu auf diese Themen zuzugehen. Plus, da steckte einiges über Freundschaft und Angst drin. Die Story war gruselig, wesentlich gruseliger als Bad Doors und ich bin definitiv bereit, mehr von diesem Autor zu lesen.

Nützliche Links

Mehr zu John Wiswell gibt es bei wikipedia, und er twittert auch. Ich habe mir die Zusammenstellung seiner Kurzgeschichten in der Isfdb angeschaut. Viel Spaß beim Stöbern!

 

Link zum Tweet

Kommentar schreiben

Kommentare: 0