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Die besten 15 SF-Kurzgeschichten des Jahres 2022

Im Dezember habe ich noch mal die Besten der Besten der Besten (Sir!) gelesen, rezensiert und hier in eine subjektive qualitative Reihenfolge gebracht.

 

Voraussetzungen:

  • deutschsprachig
  • 2022 erstmalig erschienen
  • Verlagsprodukt, oder, wenn Self-Publishing: ISBN/ISSN
  • Science Fiction

Ich habe 354 Kurzgeschichten dieser Kategorie gelesen 429 sind (meines Wissens) erschienen. 

 

Anlässlich der Gewichtung der Highlights habe ich sie alle noch mal gelesen - und teilweise nochmal rezensiert (hinterlegt im Link im Titel der jeweiligen Story - oder unten in diesem Artikel).

 

Das waren übrigens meine Top-15 im letzten Jahr.

Persönliches Best-Of

Platz Titel Autorx Wo erschienen? Themen Grund
1 Digital Detox Aiki Mira Future Fiction Magazine 2 Digitale Entzugskur Sprachlich und in der Detailfülle sogar für diese Autorx außergewöhnlich
2 Briefe an eine imaginäre Frau  Michael K. Iwoleit Nova 31  Virtuelle Realität So dermaßen nah dran an seiner Hauptfigur ist in der deutschsprachigen SF selten jemand - dazu beeindruckender Weltenbau. MKI at his best!
3 Fast Forward C. M. Dyrnberg Nova 31  Kryoschlaf, Liebestrauer Sehr gut vorbereitete Pointe, einfühlsam gegenüber der Trauer der Hauptfigur
4 Die Summe aller Teile Christoph Grimm Alien Contagium Erstkontakt, Ende eines Lebens, Bedeutung des Menschseins Sprachlich ansprechend, sehr schöner Schluss, Unterschiedlichkeit der beiden Hauptfiguren
5 Der Zustand der Welt  Aiki Mira Queer*Welten 8 Künstliches Kind Was darf man mit KIs machen und wo ist die Grenze?
6 Ersatzkind Jaana Redflower Dimension Null: 2022 Album of SF Stories Trauer Sehr gut vorbereitete Pointe, nah an der Hauptfigur, umso besser funktioniert die Pointe
7 Die Zukunft  Aiki Mira Der Tod kommt auf Zahnrädern Emanzipation, Selbstverwirklichung, Röntgen Tolle, ungewöhnliche Perspektive, viele Details zu Freundschaft, Liebe und toxischer Liebe
8 Hayes' Töchter und Söhne Thorsten Küper Der Tod kommt auf Zahnrädern  Rache, Kinderarbeit, Verschleppung, Folter  Hochsympathischer Protagonist in verzweifelter Situation, höchst befriedigender Schluss 
9 Das Wetter ist heute besonders schön. Haben Sie noch Wünsche? Alexa Rudolph Exodus 45 Behandlung der alten Menschen in der Zukunft Viel steht zwischen den Zeilen und wirkt dort bedrohlich. 
10 Exmatrikulationen Michael Lange HeliosKoloss Ehemaliger Androiden-Soldat, Grenze zum Menschlichsein, Studieren, Desertation und Flucht Äußerst gelungene Perspektive, sehr literarisch erzählt, ansprechende Sprache, authentische Nebenfiguren
11 Kaleido und Bumerang  Dani Acquataine Sonnenseiten Street Art: Solarpunk Familienleben, Pflanzen-Graffiti, Freundschaft, Solarpunk Überzeugende Perspektive, gelungener Weltenbau, gut vorbereitete Pointe 
12 Zukunftsinvestitionen  Caroline Hofstätter Facetten der Zukunft Designerbabys, gieriger Elternteil Sympathische Hauptfigur, gut vorbereitete Twists.
13 Matchpoints  Jutta Wilbertz Grenzerfahrungen erzählen Dystopie, schwere Depression authentisch klingende Ich-Erzählerin, gut vorbereiteter Schluss, literarisch erzählt und fordert beim Lesen
14 Some Time in Mozambique  Leszek Stalewski Exodus 45 Ausbruch einer Pandemie, Bewahrung der Menschlichkeit Sehr prägnante Charakterisierungen, gute Atmosphäre, nicht alles wird aufgelöst 
15 Mechanical Circus  Janika Rehak Der Tod kommt auf Zahnrädern Verlust der Mutter, Ende der Kindheit, strenger Vater  Indirekt erzählt mit Fokus auf der Trennung vom mechanischen Zirkus 

Christoph Grimm: Die Summe aller Teile

Akua endet heute. Die Greisin wird begleitet von einem elfdimensionalen Wesen, Copy, eine Art jüngeres Ebenbild von ihr, aber auch ein außerirdisches Wesen. 

Der Klassiker, der dazu führt, dass man Stationen seines Lebens noch einmal besuchen darf, nur anders, im SF-Gewand. 

Ein mehrdimensionales Wesen, das mehr versteht und manchmal eben doch zu wenig - aber immerhin zuhört.

Ein perfekter Schluss, gepaart mit schöner Struktur und gelungener Sprache, dazu tatsächlich einem kleinen Ansatz, der mir sogar neu vorkommt. 

C. M. Dyrnberg: Fast Forward

Nach dem ersten Lesen begeistert, fürchtete ich später, es sei eine von jenen Geschichten, die nur von der Pointe leben und beim zweiten Lesen die Faszination nicht erneut erreichen. Weit gefehlt. Auch das erneute Lesen hat mich überzeugt, plus, ich finde die Pointe ist hervorragend vorbereitet. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Kleinod, keine heiße Nadel, sondern viel Respekt und Liebe zu den Figuren steckt drin. 

Aiki Mira: Die Zukunft

Ich habe diese Geschichte selbst angenommen und herausgegeben und übrigens auch lektoriert, weshalb ich bei einigen Abstimmungen hier still sein muss und als befangen gelte.

Aber das hier sind meine persönlichen Best-Of, daher liste ich diese Story auf, genauso wie die beiden anderen aus derselben Anthologie, für die dasselbe gilt.

 

Man möchte sich jeden dritten Satz ausschneiden und in der Hosentasche mit sich herumtragen, bis das Papier ganz ledrig weich geworden ist. 

Es geht eigentlich nicht um Oskar, das erzählende Ich, bei dem so einiges zwischen den Zeilen steht, sogar Sex. Es geht um Aurelie und diese erleben wir aus Oskars liebevoller, aber durchaus nicht untoxischer Sicht. Schön auch das Verhältnis zwischen Oskar und seinem Erzfeind.

Das Fotografieren toter Babys am Anfang kommt recht heftig, aber eben auch authentisch, schließlich spielt die Geschichte vor langer Zeit. Mein im Kindsbett verstorbener Onkel Peter wurde circa 1951 auch noch als Leiche fotografiert und sein Bild klebt kommentarlos im Familienalbum, in dem sonst nur vergnügte und sehr lebendige Kinder mit Hosenträgern zu sehen sind.

Eine großartige Story, deren Wiederlesen immer wieder lohnt.

Thorsten Küper: Hayes' Töchter und Söhne

In 2021 war nichts erschienen, in 2022 endlich wieder neues Kurzprosafutter (wobei "kurz" hier relativ ist, die Story hat eher eine Lesezeit von dreißig Minuten).

 

Küper lässt uns sehr nah heran an seine Hauptfigur, die als Lehrer in einem Reservat von Ureinwohnern arbeitete, eine Frau von dort heiratete, einen Sohn zeugte und seinen Schwiegervater nach einigem Warmwerden quasi als Vater annahm. Nun ist er zurück an der Wupper, die Frau tot, der (Schwieger-)Vater alt, auf der Suche nach seinem Sohn. Die Kinder werden als billige Arbeiter verwendet und er selbst wird massiv bedroht, erpresst und unter Druck gesetzt.

 

Einige sehr fiese Szenen, aber auch eine hohe Menschlichkeit und plastische Beziehungen, sowie ein respektvoller Umgang mit der Trauer seiner Figuren zeichnet diese Story massiv positiv aus. Der Schluss ist ungemein befriedigend.

Alexa Rudolph: Das Wetter ist heute besonders schön. Haben Sie noch Wünsche?

Das erzählende Ich ist alt und kommt in ein von KI geführtes Altenheim (das Resort). So weit, so gut, eine mögliche zukünftige Lösung für die Überalterung in unserer Gesellschaft.

Aber einiges wird angedeutet, das so gar nicht schmecken will, auch wenn das erzählende Ich das nicht so wahrnimmt (ich scheine eine Schwäche für unzuverlässige Erzähltes zu haben). 

 

Im neuen Heim werden alle nervigen Aufgaben von Robotern übernommen. Die Tochter Corinna bringt die Erzählerin dorthin. Immerhin die Tochter scheint skeptisch zu sein ("Willst du dir das wirklich antun, Mutter?" Plus, sie nennt das Technikprogramm im Resort inhuman.). Was also könnte falsch an diesem Resort sein?

Das erzählende Ich hat aber nicht wirklich eine Wahl, kann nicht mehr selbstbestimmt leben und das hier ist der Ort, an dem sie ihr Leben zu Ende leben kann.

 

Man merkt aber auch, wie einsam die Hauptfigur trotz regelmäßigen Kontakts zur (vielarbeitenden) Tochter schon lange war, an einer Stelle erwähnt sie, wie viele Jahre sie schon kein Kompliment mehr erhalten hat und sie reagiert entsprechen gerührt, obwohl ja die freundlichen Worte von einer Maschine kommen.

 

Ein wenig später im Text trifft die Hauptfigur auf andere alte Menschen, die dort wohnen, auch auf jemanden, der möglicherweise "schon von uns gegangen" ist. Sie reagiert auf die mögliche Leiche aber quasi gar nicht und geht einfach weiter. Eine beachtenswerte, krasse Leerstelle.

 

Obwohl nicht weiter aufgelöst wird, was genau inhuman ist und was die Hauptfigur nun erwartet, bin ich doch im höchsten Grade misstrauisch geworden. Was ist das? Wo ist sie da gelandet? Welche Mechanismen laufen da? Ich ahne Übles, bekomme aber keine klare Antwort, womöglich, weil die Ich-Person sich vor der Wahrheit versteckt. 

 

Da steckt doch einiges drin, Selbstleugnung, Einsamkeit, aus der Not eine Tugend machen, und ein sehr trübes, böses Bild einer möglichen Zukunft für alte Menschen. Sehr großartig, gerade weil so viel unbeantwortet bleibt.

Michael Lange: Exmatrikulationen

Es ist sehr lange her, dass ich das gelesen hatte (Anfang 2022?), daher musste ich es sowieso noch mal lesen, um zu prüfen, ob mein guter Eindruck standhält.

 

Als SF Geschichte ist sie etwas ungewöhnlich, obwohl klar SF bietet sie so gar nicht das Setting, das man so gewohnt ist. Es kommt auch etwas später eine Menge Cyberpunk durch und Andeutungen, dass es nicht mal auf der Erde spielt, obwohl ich beim Lesen ständig meine ehemalige Uni im Kopf habe.

Das erzählende Ich, Adam, befindet sich gleich zu Beginn in einem "Studierendenwohnheim" (O-Ton) und die Details, die er so schildert, kommen mir gleich aus ferner Vergangenheit bekannt vor. Auch, dass er so viel Zeit in der Bibliothek verbringt - ich bin gleich "gekauft" mit Bekanntem, das ist immer gut.

 

Interessant ist, dass er ein Veteran (Corporal) ist und daher Sonderrechte hat. Man fragt sich auch gleich, was er in seiner Vergangenheit erlebt hat.

Einiges vom Weltenbau wird auch zunächst nur angedeutet, was Spannung und ein subtiles Unbehagen erzeugt:

"... es gab immer noch Ärzte, die tatsächlich Ärzte waren, aber die waren eben keine Ärzte mehr. Inzwischen dominierten allein die Ärzte, die längst keine Ärzte mehr waren." 

Es zieht sich auch das Rätsel einer verschwundenen Studentin (Alice) schon durch die ersten Seiten. (Natürlich wird diese Waffe später auch abgefeuert.)

Plus, es gibt eben Andeutungen, die in eine sehr interessante Richtung gehen:

"Dass jemand wie ich überhaupt lügen kann, überlegte ich"

"Für so etwas war ich wohl einfach nicht programmiert"

 

Der Protagonist interessiert sich für Literatur, und dann gleich so etwas anstrengendes wie Ulysees (ich kenne von dem Autor nur Kurzgeschichten). 

 

Der Ton der Story ist eher wie von einem Roman, als hätte man viel Zeit, und für eine Kurzgeschichte ist sie auch eher lang. Stark ist, dass auch Nebenfiguren (wie Professor Ens oder Alfred "Ali") sofort plastisch werden und das mit wenigen Sätzen. 

Mir gefallen auch viele coole Details wie "nie hatte ich so viele platt getrampelte Erbsen gesehen", das erzeugt eben sofort Kopfkino. 

Wenn ich überhaupt etwas kritisieren will, dann, dass es anfänglich schwer ist, einen roten Faden zu finden (was mich aber kaum stört, auch beim Wiederlesen nicht) und ich zwar die entgenderte Sprache schätze, aber Sonderzeichen in Worten in Prosa (!) lieber vermieden sehe. 

 

In einem Nebenstrang wird sanft thematisiert, dass im Cyberpunk auch mal gesunde Gließmaßen abgenommen werden und durch künstliche, "optimierte" ersetzt werden, eine Vorstellung, die durchaus Horror und Ekel erzeugen kann. Dadurch, dass der Autor geschickt Leerstellen setzt, eröffnet die Story diese Möglichkeit auch, je nachdem wovor die lesende Person sich so gruselt.

 

Nach längerer Überlegung hätte ich diese Story schon in meinem KI als Erzählende Figur-Artikel bei Literatopia erwähnen sollen, da hatte ich sie aber gerade nicht frisch auf dem Schirm, schade!

 

Ähnlich wie bei Ersatzkind, das ebenfalls in einer Anthologie des Verlags für Moderne Phantastik erschienen ist, habe ich bei dieser Geschichte Sorge, dass sie kaum jemand kennt, der beim KLP wahlberechtigt ist. Wer noch die Chance hat: Lesen, gut finden, nominieren!

Dani Aquitaine: Kaleido und Bumerang

Insgesamt ist das eine der sehr guten Anthologien des Jahres mit vielen lesenswerten Geschichten. Diese hier hat mir am besten gefallen. Und das, obwohl sie keinen fiesen Twist hat oder das Genre neu erfindet - es ist einfach eine gelungene Geschichte mit tollen Figuren und einer schönen Pointe.

 

Kallistos (bzw. Kaleidos) riesige Familie (lauter Generationen und Cousins usw.) bewohnt ein zwölfstöckiges Haus nach recht festen Regeln. Zunächst wird der Alltag geschildert, und das auch nicht frei von feinem Humor. Es geht turbulent zu und wirkt auf mich sehr lebensecht. Auf der zweiten Seite erfährt aber Kallisto, dass bald mehr Leute aus der weitläufigen Familie einziehen, u. a. ihr Cousin Eduardo (=Bumerang), den Kaleido aber nicht leiden kann und der zudem jünger ist und daher nach den üblichen Familienregeln Kaleidos Zimmer bekommen würde.

Die Dialoge wirken lebensecht, Kaleido hat auch einige höchst authentische Wut-Aussetzer, die sie für mich nur sympathischer machen. Ihre Gedanken sind so schön pubertär, man kann sie geradezu hören!

 

Dann gibt es Graffitikunst mit Pflanzen und erst denke ich, man habe das Thema gewechselt, in einer wunderbar vorbereiteten Pointe fließ dann aber alles zusammen.

 

Ein paar Details zum Weltenbau, geschickt eingeflochten, haben mir ebenfalls gefallen. Gern mehr von dieser Autorin. :-)

Caroline Hofstätter: Zukunftsinvestionen

Da wird noch ein Roman draus, auf den ich mich schon freue.

 

Heldin Lisa mit Ehemann Thomas möchte schwanger werden. Der Weltenbau ist echt fies. Man muss immer schön sein. Alles muss perfekt sein. Die Beauty-Bots waren gut beschrieben und auch echt gruselig. 

Gleich zu Beginn begegnet Lisa einem sehr intelligenten Kind, was übrigens hervorragend spätere Twists vorbereitet.

 

Der Ehemann mit seinem Porsche ist etwas too much, aber auch das passt zu späteren Twists. Einige Stellen sind schon arg fies, wie:

"Lisa fühlte sich in diesem Moment ein wenig wie ein weiteres Ausstattungsfeature des Porsche. Beifahrerin, Standardvariante."

Etwas kurz kommt vielleicht, warum Lisa Thomas überhaupt geheiratet hat, er wirkt doch extrem oberflächlich.

 

Thomas führt Lisa zu einer Klinik von BetterBaby, klar, es geht um Designerbabys. Embryos von ihnen sind schon dort und die können optimiert und auch ziemlich krass verändert werden. Das ist kostenintensiv, eine Änderung von einem weiblichen auf einen männlichen Embryo würde zum Beispiel 50.000 kosten. Die Story wird nicht gerade einfacher zu verdauen, als alles möglich angepasst wird, auch Haarfarbe, Gesundheit, Fähigkeiten. 

 

Recht bald wird Lisa dann klar, was Thomas beabsichtigt und obwohl einige Leerstellen bleiben, wird ihre Ohnmacht und ihr Entsetzen schon klar (oder vielleicht gerade deswegen). 

 

Man könnte bemängeln, dass am Schluss einiges offen bleibt, aber der dicke Erzählstrang wäre beendet und wie es dann weitergeht, erfahren wir dann im Roman. Da würde ich dann ein paar mehr Facetten an einer Figur wie Thomas erwarten, der jetzt doch arg unsympathisch und wenig ambivalent bleibt. Trotzdem: Starke Story, flüssig erzählt.

Extrapoliert ziemlich erbarmungslos was für Erwartungen einige Eltern auch schon heutzutage in ihre Kinder setzen.

Jutta Wilbertz: Matchpoints

Manchmal suche ich ja auch an ungewöhnlichen Orten und ja, manchmal habe ich dabei Glück. 

Robert Corvus hat mich auf dieses Büchlein aufmerksam gemacht, viel SF gibt es da nicht, aber Matchpoints hat mir sehr gut gefallen.

 

Das erzählende Ich ist ein wenig unzuverlässig, wir merken dann beim Lesen schon deutlich früher was los ist und sehen auch den Schluss rechtzeitig voraus - freilich umsonst, denn das erzählende Ich merkt ja nichts.

 

Sie ist mit Lea zusammen, ein Match, und Lea scheint in dem System, in dem man Punkte sammeln sollte, nicht so gut zurechtzukommen wie das erzählende Ich. Dass Lea sich verhält, wie sie sich verhält, da sie an schweren Depressionen leidet, kann die Hauptfigur aufgrund ihrer Sozialisierung nicht erfassen, wir, die wir in einer völlig anderen Welt leben, hingegen schon.

Leszek Stalewski: Some Time in Mozambique

Zugegeben, einiges ist sehr eklig, weil eindringlich beschrieben. Die Menschen werden hier von Pilzen befallen, das ist visuell sehr mitnehmend und hört sich auch als Befall grausam an.

Der Ich-Erzähler, Dr. Hannah, wurde hinzugezogen, um eine Antwort auf das Rätsel des Befalls zu finden, rechnet aber nicht damit, hier erfolgreich zu sein. Auch er kann nur beobachten. Weite Teile Südostafrikas stehen bereits unter Quarantäne.

Die Menge der Toten und kaum zu fassen. Die Leichen werden auch schonungslos in ihrer schieren Masse beschrieben, die Geschichte gewinnt aber dadurch, dass die Menschlichkeit nie vergessen wird. Hier geschieht etwas Schreckliches und der Autor belässt es nie bei einem Grusel-Effekt, sondern scheint sich stets bewusst zu sein, was er hier schreibt und wie, was die Geschichte trotz der Heftigkeit erträglich macht.

 

Nicht nur Menschen, auch Säugetiere und Vögel sind betroffen. Seit neun Monaten läuft das jetzt schon.

 

Ein bisschen könnte man mangelnde Szenischkeit auf Seite 3 bemängeln, das Zusammenfassen vergangener Dinge wäre in der Form nicht so nötig gewesen, zumal beim Lesen ja rasch das meiste davon klar wird. Mehr Mut zur Lücke, wir Lesende müssen auch nicht vollausgebildet werden, was die erzählte Welt betrifft. 

 

Gelungen sind die Charakterisierungen und die plastischen Beziehungen, die Doktor Hannah zu Nebenfiguren wie Kollege Jurek erhält. Die Dialoge klingen echt. 

 

Das Ende ist vielleicht nicht ganz unerwartet, musste aber so kommen (sonst wäre ich wohl enttäuscht gewesen) und wagt eine ganz leise Interpretation eines recht schwierigen Themas des Übergangs zwischen Leben und Tod.

Janika Rehak: Mechanical Circus

Frisch noch mal gelesen und wieder gefangen. Die Geschichte des Jungen Elliot, der mit dem Erwachsenwerden und dem Tod seiner Mutter sowie Verlust im Allgemeinen hadert, hier im Kleinen gezeigt an seinem mechanischen Zirkus, strotzt nur so von Details und ist sprachlich sehr ansprechend. 

Über den Schluss wurde viel diskutiert, für mich ist er nicht ganz eindeutig. 

Berücksichtigt wurden u. a.:

Ich habe Stand Dezember 2022 354 der 429 SF-Kurzgeschichten gelesen, die 2022 im deutschsprachigen Raum erschienen sind.

 

Berücksichtigt wurden u. a. folgende Magazine und Anthologien (teilweise waren nicht alle enthaltenen Storys relevant):

  1. Body Enhancements: Die Zukunft lesen
  2. phantastisch! (Nr. 85-88)
  3. Facetten der Zukunft
  4. Das Schaukelpferd
  5. Eine unberührte Welt [Neuausgabe]
  6. Spinnenpiñata
  7. Sonnenseiten – Street-Art trifft Solarpunk
  8. Gegen Unendlich 17
  9. Future Fiction Magazine deutsch 01 bis 03
  10. 7 Millionen Tage in der Zukunft
  11. Dimension Null: 2022 Album of SF Stories
  12. Mond, Sterne und dazwischen wir
  13. Alien Love
  14. Alien Contagium
  15. Weltenportal Ausgabe 3 und 4
  16. Gespiegelte Fantasie
  17. c't (Jahrgang 2022)
  18. Science-Fiction Anthologie 2021
  19. Geschichten ohne Strom
  20. Exodus 44 und 45
  21. NOVA Science-Fiction 31
  22. Stellaris-Kurzgeschichten (Perry-Rhodan-Universum)
  23. Austern im Halbschlaf
  24. Das Alien tanzt im Schlaraffenland
  25. Der Tod kommt auf Zahnrädern
  26. Die Kaffeefee: Zwischen Chaos- Capuccino und Magischer Melange
  27. Grenzerfahrungen erzählen
  28. Zwielicht Magazin Ausgabe 17
  29. IRRE REAL
  30. Met-Magie. Der Trunk der Götter, Barden und Bauern
  31. Daedalos 13
  32. Spektrum der Wissenschaften
  33. Queer*Welten Ausgabe 7 bis 9
  34. HeliosKoloss
  35. Leise Worte des Friedens
  36. Urknallkinder

(Das sind nicht alle, aber fast alle)

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